Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah

Titel: Extrem laut und unglaublich nah
Autoren: Jonathan Safran Foer
Vom Netzwerk:
eine Meisterin darin, ihn zu beobachten. Das ist mei ne Lebensaufgabe gewesen. Von meinem Schlafzimmerfens ter. Hinter Bäumen versteckt. Über den Küchentisch .
Ich wollte bei ihm sein .
Oder bei irgendjemandem .
Ich weiß nicht, ob ich deinen Großvater je geliebt habe .
Aber ich liebte es, nicht allein zu sein .
Ich stellte mich ganz dicht hinter ihn .
Ich hätte mich am liebsten in sein Ohr geschrien .
Ich berührte ihn an der Schulter .
Er senkte den Kopf .
Wie konntest du das tun ? Er wich meinem Blick aus. Ich hasse das Schweigen .
Sag etwas .
Er zog seinen Stift aus der Hemdtasche und nahm die oberst e Serviette vom Stapel auf dem Tisch .
    Er schrieb: Du warst glücklich, als ich fort war .
Wie kommst du darauf ? Wir belügen uns selbst, und wir belügen einander .
Inwiefern belügen wir uns? Mir ist egal, ob wir einander be lügen .
Ich bin ein schlechter Mensch .
Das ist mir egal. Mir ist egal, was du bist .
Ich kann nicht .
Was quält dich so ? Er nahm eine neue Serviette vom Stapel .
Er schrieb: Du quälst mich so .
Da schwieg ich .
Er schrieb: Du erinnerst mich an etwas .
Ich legte die Hände auf den Tisch und erwiderte: Du hast mich .
Er nahm eine neue Serviette und schrieb: Anna war schwan ger .
Ich erwiderte: Ich weiß. Sie hat es mir erzählt .
Du weißt es ? Ich habe immer geglaubt, du wüsstest es nicht. Sie hat ge sagt, es sei ein Geheimnis. Ich bin froh, dass du es weißt .
Er schrieb: Ich wüsste es lieber nicht .
Besser, etwas zu verlieren, als es nie gehabt zu haben .
Ich habe etwas verloren, das ich nie gehabt habe .
Du hast alles gehabt .
Wann hat sie es dir erzählt ? Wir haben uns im Bett unterhalten .
Er zeigte auf: Wann ? Ganz am Schluss .
Was hat sie gesagt ? Sie hat gesagt: Ich bekomme ein Baby .
War sie glücklich ? Sie war außer sich vor Freude .
    Warum hast du es mir nie erzählt ? Hast du es mir denn erzählt ? In meinem Traum entschuldigten sich die Menschen für etwas , das noch bevorstand, und sie entzündeten Kerzen durch Einat men .
Ich habe mich mit Oskar getroffen, schrieb er .
Ich weiß .
Das weißt du ? Natürlich weiß ich das .
Er blätterte zurück zu: Warum hast du es mir nie erzählt ? Hast du es mir denn erzählt ? Das Alphabet ging z, y, x, w … Die Uhren machten Tack-Tick, Tack-Tick, Tack-Tick … Er schrieb: Letzte Nacht war ich mit ihm unterwegs. Ic h habe die Briefe begraben .
Welche Briefe ? Die Briefe, die ich nie abgeschickt habe .
Wo hast du sie begraben ? In der Erde. Das habe ich heute Nacht getan. Den Schlüs sel habe ich auch begraben .
Welchen Schlüssel ? Zu deiner Wohnung .
Unserer Wohnung .
Er legte die Hände auf den Tisch .
Liebende zogen sich gegenseitig die Unterwäsche an, knöpf ten sich gegenseitig die Hemden zu und zogen sich an und zo gen sich an und zogen sich an .
Ich sagte zu ihm: Sag es .
Als ich Anna zum letzten Mal gesehen habe .
Sag es .
Als wir .
Sag es !
    Er legte sich die Hände auf die Knie .
Ich hätte ihn am liebsten geschlagen .
Ich hätte ihn am liebsten umarmt .
Ich hätte mich am liebsten in sein Ohr geschrien .
Ich fragte: Und was nun ? Ich weiß es nicht .
Möchtest du wieder nach Hause ? Er blätterte zurück zu: Ich kann nicht .
Dann gehst du also fort ? Er zeigte auf: Ich kann nicht .
Dann haben wir keine Wahl .
Wir saßen da .
Um uns herum passierte alles Mögliche, aber zwischen un s passierte nichts .
Die Bildschirme über uns zeigten die Abflüge und Landunge n an .
Flug nach Madrid .
Flug aus Rio .
Flug nach Stockholm .
Flug nach Paris .
Flug aus Mailand .
Alle kamen oder gingen .
Auf der ganzen Welt bewegten sich die Menschen ständig vo n einem Ort zum anderen .
Niemand blieb, wo er war .
Ich sagte: Und wenn wir bleiben würden ? Bleiben ? Hier. Wenn wir auf dem Flughafen bleiben würden .
Er schrieb: Soll das ein Witz sein ? Ich schüttelte den Kopf .
Wie soll das gehen ? Ich erwiderte: Es gibt Fernsprecher, von denen ich Oskar an rufen und ihm sagen kann, dass es mir gut geht. Und es gib t Schreibwarenläden, in denen du Tagebücher und Stifte kau fen kannst. Es gibt zu essen. Es gibt Geldautomaten. Un d Toiletten. Sogar Fernseher .
Nicht kommen oder gehen .
Nicht Etwas oder Nichts .
Nicht Ja oder Nein .
Mein Traum führte mich bis ganz an den Anfang zurück .
Der Regen stieg in die Wolken auf, und die Tiere kamen di e Rampe herunter .
Immer zu zweit .
Zwei Giraffen .
Zwei Spinnen .
Zwei Ziegen .
Zwei Löwen .
Zwei Mäuse .
Zwei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher