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Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah

Titel: Extrem laut und unglaublich nah
Autoren: Jonathan Safran Foer
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Naturzeitschriften ?
Ja .
Politik ?
Ja .
Klatsch und Tratsch ?
Ja .
Ich sagte ihm, er solle einen Koffer mitnehmen, damit er mi r von jeder Sorte eine mitbringen könne .
Ich wollte, dass er seine Sachen mitnehmen konnte .
In meinem Traum folgte der Frühling auf den Sommer au f den Herbst auf den Winter auf den Frühling .
Ich machte ihm Frühstück. Ich versuchte, ihm ein richti g gutes Frühstück zu machen. Ich wollte, dass er schöne Erin nerungen hatte und vielleicht eines Tages zurückkäme. Ode r mich wenigstens vermisste .
Ich wischte über den Rand des Tellers, bevor ich ihn auf de n Tisch stellte. Ich legte ihm seine Serviette auf den Schoß .
Er schwieg .
Schließlich begleitete ich ihn nach unten .
Da er kein Papier zum Schreiben hatte, schrieb er auf mir .
Es kann spät werden .
Ich erwiderte, ich würde verstehen .
Er schrieb: Ich besorge dir Zeitschriften .
Ich erwiderte: Ich will keine Zeitschriften .
Vielleicht nicht jetzt, aber später bist du sicher froh darüber .
Meine Augen sind schlecht .
Deine Augen sind prima .
Versprich mir, dass du auf dich aufpasst .
Er schrieb: Ich besorge dir doch bloß Zeitschriften .
Weine nicht, sagte ich, legte mir die Finger aufs Gesicht un d wischte mir unsichtbare Tränen über die Wangen nach obe n und zurück in die Augen .
Ich war wütend, weil es meine Tränen waren .
Ich sagte zu ihm: Du besorgst bloß Zeitschriften .
Er zeigte mir die linke Hand .
Ich wollte mir alles einprägen, weil ich es genau erinnern woll te. Ich habe alles vergessen, was wichtig in meinem Leben war .
Ich weiß nicht mehr, wie die Eingangstür des Hauses aussah , in dem ich aufgewachsen bin. Oder wer zuerst aufhörte z u küssen, meine Schwester oder ich. Oder wie der Blick au s den anderen Fenstern außer meinem war. In manchen Näch ten lag ich stundenlang wach und versuchte, mich an das Ge sicht meiner Mutter zu erinnern .
Er wandte sich um und ging davon .
Ich kehrte in die Wohnung zurück und setzte mich aufs Sof a und wartete. Worauf wartete ich ?
Ich kann mich nicht mehr an die letzten Worte meines Vater s erinnern .
    Die Zimmerdecke war über ihm zusammengebrochen. De r Putz, unter dem er lag, färbte sich rot .
Er sagte: Ich kann nicht mehr alles fühlen .
Ich fragte mich, ob er eigentlich sagen wollte, dass er gar nicht s mehr fühlte .
Er fragte: Wo ist Mama ?
Ich wusste nicht, ob er meine oder seine Mutter meinte .
Ich versuchte, die Deckenbrocken von ihm zu wälzen .
Er sagte: Suchst du mir bitte meine Brille ?
Ich erwiderte, ich wolle sie suchen. Aber alles war verschüttet .
Ich hatte meinen Vater noch nie weinen sehen .
Er sagte: Wenn ich meine Brille hätte, könnte ich helfen .
Ich erwiderte: Ich versuche, dich zu befreien .
Er sagte: Such meine Brille .
Ich hörte, wie alle laut aufgefordert wurden, das Haus zu ver lassen. Der Rest der Decke stand kurz vor dem Einsturz .
Ich wollte bei ihm bleiben .
Aber er wollte, dass ich ging, das wusste ich .
Ich sagte zu ihm: Papa, ich muss dich jetzt allein lassen .
Darauf sagte er etwas .
Es waren die letzten Worte, die er je zu mir sprach .
Ich kann mich nicht mehr daran erinnern .
In meinem Traum flossen ihm die Tränen die Wangen hinau f und zurück in die Augen .
Ich stand vom Sofa auf und packte die Schreibmaschine un d so viel Papier wie möglich in einen Koffer .
Ich schrieb einen Zettel und klebte ihn ans Fenster. We m die Nachricht gelten sollte, wusste ich nicht .
Ich ging von Zimmer zu Zimmer und knipste die Lichter aus .
Ich schaute nach, ob die Wasserhähne richtig zu waren. Ic h drehte die Heizung herunter und zog alle Stecker heraus. Ic h schloss die Fenster .
    Als mich das Taxi davonfuhr, sah ich den Zettel. Ich konnt e ihn nicht lesen, denn ich habe schlechte Augen .
In meinem Traum schieden Maler Grün in Gelb und Blau .
Braun in einen Regenbogen .
Kinder saugten mit Stiften die Farben aus Malbüchern, un d Mütter, die Kinder verloren hatten, flickten ihre schwarze n Kleider mit Scheren .
Ich versuche mich an alles zu erinnern, was ich getan habe , Oskar. Und alles, was ich nicht getan habe. Die Fehler, di e ich begangen habe, sind mir egal. Aber was ich nie getan ha be, kann ich auch nicht zurücknehmen .
Ich entdeckte ihn im Terminal für die Auslandsflüge. Er sa ß mit den Händen auf den Knien an einem Tisch .
Ich beobachtete ihn den ganzen Vormittag .
Er fragte Leute nach der Uhrzeit, und alle zeigten auf die Uh r an der Wand .
Ich bin
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