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Exil

Exil

Titel: Exil
Autoren: Jakob Ejersbo
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habe ich die Angestellten täglich gescheucht und ihnen immer und immer wieder dasselbe erzählt. Aber sie gehorchen einfach nicht – nur wenn ich daneben stehe und ihnen zusehe. Ich bin es leid. Ich bin die Feuchtigkeit leid, die Mücken, das Hotel …«
    »Und Douglas und uns«, sage ich. Mutter schaut mich erschrocken an.
    »Euch nicht«, sagt sie. Alison steht in der Tür zum Wohnzimmer: »Du kannst dich selbst nicht mehr leiden.«
    »Ja«, sagt Mutter. »Und Afrika. Afrika bringt mich um.« Sie schaut mich an: »Wenn ich jetzt nach England führe, würdest du mitkommen, Samantha?«
    »Willst du in den Urlaub fahren?«
    »Nein, um zu bleiben.«
    »In England?«
    »Ja.«
    »Nein«, antworte ich. England. Was soll ich dort?
    »Wir fahren bald«, sagt Alison.
    Denguefieber
    Die Straße nach Westen bis zur Road Junction ist erbärmlich, und wir benötigen sechs Stunden, um die dreihundertfünfzig Kilometer bis Moshi zu fahren. Am Fuß des Kilimandscharo liegt das Internat. Aber glücklicherweise sind die Ferien erst in einigen Tagen vorbei, also fahren wir noch eine weitere Stunde westwärts, beinahe bis Arusha. Es ist schön, nach der feuchten Wärme in Tanga ins Landesinnere zu kommen.
    Ein paar Kilometer vor Arusha verlassen wir die asphaltierte Straße und biegen auf einen Feldweg, der zur Mountain Lodge am Mount Merus führt. Wir wollen Mick besuchen, der zwei Klassen über mir ist. Vor vier Monaten, kurz vor der Mittleren Reife, wurde er krank und musste ins Krankenhaus. Ich bin auf das Wiedersehen gespannt.
    Mountain Lodge ist eine alte deutsche Kaffeefarm aus dem Jahr 1911, die in ein Luxushotel umgebaut wurde. Micks Mutter betreibt zusammen mit Micks großem Bruder und seiner Frau die Lodge und eine Organisation, die Safaris veranstaltet. Seinem Stiefvater gehört ein Reisebüro in Arusha.
    Mahmoud kommt heraus und teilt uns mit, nur Mick sei zu Hause. Die anderen sind mit Japanern auf einer Safari in der Serengeti. Ich hatte mich gefreut, Micks Schwägerin wiederzusehen, Sofie ist lustig. »Aber kommt doch herein und trinkt einen Tee«, bittet Mahmoud und geht in seinem arabischen Aufzug mit Turban und Krummsäbel im Gürtel voran – alles für die Touristen. Mahmoud ist ein würdevoller Mann, der die einheimischen Angestellten der Lodge mit harter Hand führt. Wir folgen ihm auf die Veranda, die sich um das weißgekalkte Hauptgebäude zieht. Ein abgemagerter, hagerer Mann starrt uns aus dem Liegestuhl an.
    »Mick?«, fragt Alison. Er lächelt, dass die Haut auf dem Schädel Falten schlägt, während er sich langsam erhebt.
    »Bist du es wirklich?«, sagt Mutter.
    »Ich bin es, Miss Richards«, erwidert Mick. Er gleicht einer Leiche. Vorsichtig umarmen wir ihn nacheinander. »Keine Sorge«, sagt er und drückt mich an sich. »Ich bin nicht aus Zucker.«
    »Wie viel Kilo hast du abgenommen?«, will Alison wissen.
    »Sechzehn«, antwortet Mick. »Erst lag es am Denguefieber: zwei Wochen lang vierzig Grad Fieber, roter Ausschlag am ganzen Körper, heftige Muskelschmerzen und innere Blutungen. Im Krankenhaus von Arusha mussten sie das Fieber mit Eis senken und einen Flüssigkeitstropf setzen, weil ich vollkommen dehydriert war.«
    Mick zündet sich eine Zigarette an und raucht langsam, sogar seine Finger sind dünn. Gut, dass er ziemlich füllig gewesen ist, sonst läge er jetzt sechs Fuß unter der Erde.
    »Aber durch den Tropf habe ich mir Typhus eingefangen. Ich schwitzte, kotzte und habe mich beinahe zu Tode geschissen. Das Krankenhaus hätte mich fast umgebracht. Meine Mutter hat mich dann nach Hause geholt und eine Krankenschwester angeheuert, um mich zu pflegen.«
    »Hier krank zu werden, ist gefährlich«, sagt meine Mutter und schüttelt den Kopf. Wohl wahr. Die europäischen Berater werden nach Hause geflogen, wenn sie krank sind. Von unseren Eltern kann sich keiner eine Krankenversicherung leisten, allerdings wissen wir, wie man die Ärzte besticht.
    »Und wie geht’s jetzt weiter?«, erkundigt sich Alison.
    »Ich muss zu einer Nachprüfung in die Schule, dann kehre ich nach Europa zurück«, sagt Mick. »Ich weiß nur nicht so genau, wohin.« Durch seine Mutter, die eigentlich Österreicherin ist, aber mit einem Deutschen verheiratet war, besitzt Mick einen deutschen Pass. Mick spricht kein Deutsch, und sein Stiefvater ist Franzose. Sein richtiger Vater kam aus England, ist aber bereits vor vielen Jahren an schwarzer Malaria gestorben.
    »Komm mich besuchen, wenn du in Europa bist«, sagt
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