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Exil

Exil

Titel: Exil
Autoren: Jakob Ejersbo
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Alison.
    »Gern.« Mahmoud bringt Tee und Kekse. »Leider haben wir keinen Platz für euch«, fügt Mick hinzu. »Heute Abend kommt eine ganze Gruppe Japaner.«
    »Nein, nein, das ist auch nicht nötig«, sagt Mutter. »Wir haben verabredet, im Arusha Game Sanctuary zu übernachten.«
    Alle hier im Land wohnenden Weißen sind alte Freunde, die sich gegenseitig Übernachtungsmöglichkeiten anbieten, wenn sie umherreisen. Das Arusha Game Sanctuary gehört Angelas Familie, die aus Italien kommt. Angela ist ebenfalls zwei Klassen über mir, ich kenne sie schon seit meiner Kindheit – sie ging mit Mick in eine Klasse der griechischen Schule von Arusha, bevor sie beide ins Internat von Moshi kamen. Ich hätte allerdings lieber in der Lodge übernachtet.
    »Und du, Samantha?«, fragt Mick.
    »Na ja, ich werde wohl im Arusha Game Sanctuary bleiben, bis die Schule beginnt. Es hat keinen Sinn, mit Mutter zurück nach Tanga zu fahren.«
    »Besuch mich«, sagt Mick. »Für dich haben wir immer Platz.«
    Abschied
    Nach dem Tee fahren wir ins Arusha Game Sanctuary, das von Angelas Mutter betrieben wird. Wie im Baobab Hotel gibt es ein Restaurant und Bungalows für die Gäste. Zusätzlich unterhalten sie noch einen kleinen Zoo mit allen möglichen Tieren, von Vögeln bis zu Löwen.
    Angela ist bei Freunden in Arusha, aber ihre Mutter ist zu Hause und zeigt uns unsere Zimmer. Natürlich kann ich bleiben, bis die Schule wieder beginnt, sagt sie. Ich gehe mit Alison zum Schwimmen ins nahegelegene Hotel Tanzanite, aber es ist unangenehm – viel zu viel Chlor im Wasser.
    Wir trinken Cola, rauchen Zigaretten, reden nicht viel.
    »Du musst nicht traurig sein«, sagt Alison.
    »Bist du doch auch«, antworte ich.
    Sie nickt.
    Am nächsten Morgen bringen wir Alison zum Flughafen, der auf halbem Weg zwischen Arusha und Moshi liegt. Ich sehe Mutter an, dass sie gestern Abend zu viel getrunken hat.
    »Ich rede mit eurem Vater«, sagt sie. »Mal sehen, ob Samantha und ich dich Weihnachten besuchen können.«
    »Ja«, sagt Alison und schweigt. Es sieht nicht so aus, als gäbe es genug Geld für die Flugtickets. Durch die Abflughalle fliegen Schwalben. Wir verabschieden uns von Alison am Check-in. Mutter weint. Alison beißt die Zähne zusammen, ich räuspere mich und schlucke meine Spucke hinunter.
    »Und du machst keine Dummheiten, wenn ich weg bin«, flüstert Alison mir ins Ohr. Sie lässt mich los und geht, dreht sich aber noch einmal um. »Ihr geht doch nach oben und winkt?«, fragt sie mit dünner Stimme. Ich schlucke erneut, Mutter nickt, und Alison verschwindet durch die Türen. Wir gehen über die Treppen auf die große Aussichtsplattform auf dem Dach.
    »Ich werde sie vermissen«, sagt Mutter.
    »Ja«, sage ich und zünde mir eine Zigarette an.
    »Du sollst nicht rauchen, Samantha.«
    »Gerade jetzt schon«, entgegne ich.
    »Okay.« Wir warten schweigend und blicken auf die Passagiere, die sich zum Flugzeug begeben, bis Alison aus dem Gebäude unter uns kommt.
    »Wiedersehen, Alison, pass auf dich auf!«, ruft Mutter.
    »Mach keine Gefangenen, bring sie alle um!«, schreie ich.
    Alison sagt nichts; sie wirft uns eine Kusshand zu, winkt und bleibt an der Kabinenöffnung des Flugzeugs stehen. Hinter ihr bildet sich eine Schlange, während sie ein letztes Mal zu uns herüberblickt. Dann ist sie fort. Wir bleiben schweigend stehen und versuchen, sie durch die kleinen Fenster des Flugzeugs zu entdecken, aber vergeblich. Trotzdem stehen wir noch da und winken, als das Flugzeug sich in Bewegung setzt. Wir warten, während es zur einzigen Start- und Landebahn rollt, wendet und beschleunigt. Wir winken, als es abhebt. Wir sind häufig von hier abgeflogen. Wir wissen, dass man die Menschen auf der Aussichtsplattform sehen kann, wenn die Maschine startet. Wir wissen, dass Alison darin sitzt, nach uns Ausschau hält und daran denkt, wann sie wieder zurückkommen wird.
    »Mutter, du kannst mich einfach an der Hauptstraße absetzen«, sage ich auf der Rückfahrt vom Flughafen. Mutter will nach Osten in Richtung Tanga, während ich zum Arusha Game Sanctuary muss, um dort die zwei Tage bis Schulbeginn zu verbringen.
    »Nein, ich fahre dich zurück.«
    »Ich kann doch einen Bus nehmen. Dann kommst du zu vernünftigen Zeiten nach Hause.«
    »Okay«, willigt sie schließlich ein und gibt mir etwas Geld. »Aber denk dran anzurufen, Samantha.« Ich umarme sie und steige aus; sehe ihr nach, als sie davonfährt. An einem Holzschuppen esse ich gegrillte
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