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Exil

Exil

Titel: Exil
Autoren: Jakob Ejersbo
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zu«, sagt Vater zu ihm. Christian gehorcht, im Wohnzimmer breitet sich dämmriges Licht aus. Vater hockt sich neben mich und streichelt meine Wange, schaut in meine roten Augen. »Samantha«, sagt er noch einmal und schüttelt ganz leise den Kopf.
    Zigarettenrauch, Christian hat sich eine Zigarette angesteckt – er ist es. Aber ich kann so gut wie nichts mehr riechen.
    »Ich habe versucht, ihn bei der Polizei anzuzeigen«, sagt Vater.
    »Wen?«, fragt Christian.
    »Victor. Es war Victor.« Die Hausdurchsuchung im Hotel Africana, als ich im Bett auf Victors Waffen lag. Ich habe ihn vor der Verhaftung gerettet. Und nun ermordet er mich. Vater steht auf, bleibt mit hängenden Schultern und zusammengekniffenen Lippen stehen. Er stellt den Couchtisch beiseite und guckt sich den Sisalteppich darunter an. Geht ins Schlafzimmer und kommt mit einem Laken zurück. Dann greift er nach dem Teppich, zieht ihn zur Seite und breitet das Laken aus und legt den Sisalteppich darauf – mein Todeslager. Ich werfe einen letzten Blick auf Christian. Er sieht nicht so aus, als würde er irgendetwas begreifen. Vater hebt mich hoch, legt mich hin.
    »Ich verspreche dir, ich werde ihn umbringen, Samantha. Und er wird es spüren«, flüstert Vater. Ein bisschen spät, dass er etwas für mich tun will.
    Dann rollt er mich wie eine Puppe in den Teppich ein, doch ich spüre nichts an meiner kühlen Haut. Meine Sicht ist versperrt. Ich will sehen, was passiert, aber ich kann den Körper nicht mehr verlassen. Das Geräusch einer Ohrfeige.
    »Hilf mir, sie anzuheben!«, befiehlt Vater. Sie heben mich an, tragen mich hinaus, eine verpuppte Braut über die Schwelle zum Tod. Ich höre, wie Juma die Hintertür des Land Rovers öffnet.
    »Setz dich rein«, sagt Vater; redet er mit Juma oder Christian?
    Autotüren werden zugeschlagen. »Wo übernachtest du?«, erkundigt sich Vater.
    »In Valhalla«, antwortet Christian.
    Der Wagen fährt los. Er fährt. Ich liege hinter ihnen. Wir halten in Valhalla, Christian holt seine Sachen. Wir fahren weiter.
    Vaters Stimme kommt aus weiter Ferne: »Wenn wir sie begraben haben, fahre ich dich nach Morogoro. Von dort kannst du einen Bus nach Moshi nehmen. Wenn irgendwelche Behördenvertreter dich fragen, sagst du … erzähl einfach die Wahrheit.«
    Was ist die Wahrheit? Der Wagen fährt von der Straße, in den Busch, hält. In der Ferne bellen Hunde. Spaten werden aus den Halterungen des Land Rovers genommen, ich werde herausgetragen und auf die Erde gelegt. Vater und Christian graben ein Loch.
    »Es muss tiefer sein, sonst graben die Hunde sie aus«, sagt Vater. Weiß er nicht, dass sie mich bereits haben? Sie legen mich hinein. Erde über mir. Alles ist still.

Nachschrift
    Im Frühsommer 2007 lieferte Jakob Ejersbo die erste Reinschrift eines Manuskripts an den Gyldendal Verlag – ein Buch, das er seit seiner frühen Jugend schreiben wollte und an dem er arbeitete, seit er 2002 den Roman Nordkraft veröffentlicht hatte.
    Das neue Manuskript bestand aus zwei Bänden: dem Roman Liberty und einer Sammlung mit Erzählungen: Revolution .
    Einen Monat später setzten Jakob und ich uns ein paar Tage zusammen und gingen das Manuskript Seite für Seite durch. Wir hatten bereits verabredet, den Erzählungsband zu teilen, d. h. eine Geschichte, Exil , herauszunehmen und als eigenständiges Buch zu veröffentlichen. Außerdem vereinbarten wir, das komplette Manuskript im Jahr 2008 zu redigieren und zu lektorieren, bevor auch nur ein Teil veröffentlicht wird.
    Exil und Revolution waren in Jakobs Fassung so gut wie fertig, nur mit Liberty waren wir nicht ganz so weit. Jakob begann, den Text zu redigieren, und besprach die Umschlaggestaltung der drei Bücher mit seiner Schwester Ea, die die Illustrationen geliefert hatte.
    Im September 2007 wurde Krebs bei ihm diagnostiziert, und die nun folgenden physisch und psychisch extrem belastenden Behandlungen hatten natürlich zur Folge, dass der ursprüngliche Plan nicht aufrechterhalten werden konnte. Anfang November 2007 schrieb mir Jakob eine Mail, in dem er mich mit Hilfe einer Reihe von Anweisungen bat, das Manuskript von Liberty fertigzustellen, wenn, wie er schrieb, »ich zur Unzeit von dannen ziehen (sollte)«.
    Anfang Juli 2008, circa eine Woche vor Jakobs Tod, telefonierte ich noch einmal mit ihm, und wir vereinbarten bei dieser Gelegenheit die Reihenfolge der Veröffentlichung: Die beiden Bücher, die er für fertig befand und die er aus der Hand geben konnte, also Exil
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