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Exil

Exil

Titel: Exil
Autoren: Jakob Ejersbo
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mich, und ich heule wie ein kleines verrotztes Kind.
    »Du musst keine Angst haben«, sagt sie. »Es wird alles gut. Mutter wird auf dich aufpassen.«
    »Ich weiß.«
    »Soll ich mit ins Oysterbay kommen, möchtest du das?«
    »Nein. Es wird schon gehen. Christian kommt. Außerdem kannst du das Baby nicht allein lassen.«
    Alison dreht mich um, wir stehen uns gegenüber. Sie trocknet die Tränen auf meinen Wangen. Ihre Augen schimmern ebenfalls. Wir lächeln uns an.
    »Ich habe ein Päckchen für Mutter.«
    »Ja, und ich muss zusehen, dass ich fertig werde. Ich will auf dem Weg zum Oysterbay noch bei Shakila vorbei«, lüge ich.
    »Okay.« Alison bringt mir ein Päckchen mit Kaffee, Cashewnüssen, einer Flasche Konyagi und einer Packung Sportsman. »Nur damit sie Tansania nicht vergisst.«
    Mir gibt Alison einen Umschlag. »Und das ist für dich.«
    »Geld?«
    »Nur ein bisschen, damit du dir Kleider und so was kaufen kannst.«
    Wir schleppen meinen Koffer und die Tasche in die Einfahrt. Der Fahrer lädt das Gepäck ins Auto. Alison umarmt mich lange, dann beginnt das Baby im Kinderwagen zu schreien, und sie lässt mich los.
    »Ich muss leider …«, entschuldigt sie sich.
    »Bis bald, Schwester!«, rufe ich und steige in den Wagen. Sie winkt. Wir fahren. Zum Oysterbay Hotel. Ich sage dem Fahrer, dass er einfach zurückfahren kann, deponiere meinen Koffer an der Rezeption, damit wir ihn nach dem Abendessen mitnehmen können. Vater wird sicher dem Flugzeug nachstarren, bis es am Himmel verschwindet, nur um sicher zu sein, dass ich fort bin.
    Abschied
    Ich blicke über das Meer. Soll ich noch einmal schwimmen gehen? Ich blicke hinauf in die Palmenkronen, einige sind vertrocknet. Ich habe noch ein wenig Zeit. Ich gehe zur Straße und winke einem Taxi, bitte den Fahrer, zu Vaters Haus zu fahren. Victor. Alle außer seiner Frau wissen es, aber sie ist nicht hier. Ich will ihn ein letztes Mal sehen. Obwohl wir nicht … zusammen sind, will ich ihm sagen, dass ich ihn wunderbar finde – und ein Arschloch. Es ist traurig, aber ich will mich trotzdem anständig verabschieden. Ich werde zu der Verabredung mit Vater nicht pünktlich sein. Er kann ruhig auf mich warten. Ich habe jahrelang auf ihn gewartet. Ich fahre in einem Dämmerzustand durch die Dunkelheit und spüre die Hitze des von der Sonne aufgeheizten Sands der Straße, die durch die klappernde Karosserie des Taxis dringt.
    Juma kommt angeschlurft und öffnet das Tor.
    »Shikamoo Mzee«, grüße ich und frage ihn, ob Victor da ist. Ja. Ich bezahle den Taxifahrer und gehe durchs Tor. Noch bevor ich die Haustür öffne, höre ich Tom Jones vom Tonbandgerät. Victor ist nicht im Wohnzimmer. Auf dem Couchtisch steht eine mit einem Teller abgedeckte Metallschale. Es ist die Schale, die Victor zum Strecken benutzt – sein lächerliches Kokain-Geschäft. Es ist kein richtiges Leben, aussichtslos. Victor handelt mit Drogen, Vater spielt Krieg. Was ist ein richtiges Leben? Frans verkauft Flugtickets; Mick repariert Autos. Ist das alles?
    »Victor?«, rufe ich, bekomme aber keine Antwort. Ich ziehe mich bis aufs Höschen und das Unterhemd aus; ich behalte die Unterwäsche an, weil ich erleben will, wie er sie mir auszieht – den Slip mit den Zähnen. Ich gehe zum Schlafzimmer. Ein letztes Mal. Wer weiß, wie es in England ist.
    »Victor!«, rufe ich noch einmal.
    »Was ist?«, höre ich Victor hinter der Schlafzimmertür rufen. Ich setze ein schelmisches Lächeln auf und schiebe die Tür auf. Angela liegt mit ihrem Kopf auf seiner Brust und grinst mich boshaft an. Ein Ruck fährt durch Victor. Angela hebt ihren Kopf und schaut lächelnd auf seinen glänzend-feuchten Schwanz, der eben noch in ihrem Mund gewesen ist.
    »Was zum Teufel machst du hier?«, fragt er.
    »Herausfinden, wer du bist.« Ich drehe mich um, damit er meine Augen nicht sieht.
    Ich überlege, warum Juma mir nichts gesagt hat? Aber er konnte ja nicht wissen, dass … Vielleicht ist Angela gekommen, als Juma nicht zu Hause war, und seine Tochter hat ihm nicht erzählt, dass eine Frau gekommen ist. Warum sollte sie auch? Juma muss mich ja hineinlassen, es ist das Haus meines Vaters. Und die Vordertür war nicht verschlossen.
    Exil
    Auf dem Couchtisch steht die Metallschale mit dem Teller darauf. Ich schalte das Tonband ab. Dann schiebe ich den Teller beiseite, er fällt auf den Boden, zerbricht. Kokain. Ich setze mich. Zwischen drei Fingern streue ich eine Portion auf die Tischplatte.
    »Fass das nicht an!«,
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