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Exil

Exil

Titel: Exil
Autoren: Jakob Ejersbo
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Kassava mit Senfdressing, trinke Tee. Springe in einen Bus nach Arusha, sitze eingeklemmt mit einem Massai-Mädchen auf dem Schoß und einem Zicklein zwischen den Füßen, bis ich am Arusha Game Sanctuary aussteige.
    Großwildjäger
    Angela ist zurück. Sie sonnt sich im Garten hinter dem Haus. Ich weiß nicht viel über sie, nur dass sie ziemlich zäh ist und sich auf der Schule von niemandem etwas gefallen lässt. Als sie auf die Schule in Arusha ging, war sie Heimschläferin, im Internat in Moshi wohnt sie in einem anderen Haus als ich. Angela ist dünn, aufgeschossen, schmalbrüstig und hat eine Hakennase. Alison hat immer gemeint, Angela »sei nicht ganz richtig im Kopf«. Ich gehe zu ihr.
    »Hey, Angela«, begrüße ich sie. Sie schiebt die Sonnenbrille hoch und betrachtet mich. Ihre Augen sind rot, als hätte sie geweint.
    »Ich habe mich mit meiner Mutter gezankt«, erklärt sie.
    »Worüber?«
    »Sie behauptet, ich würde mit ihrem Freund flirten.«
    »Tust du es denn?«
    »Ein bisschen.« Sie setzt die Sonnenbrille wieder auf. »Er ist Großwildjäger, aus Arusha. Italiener.«
    »Und der Freund deiner Mutter«, sage ich.
    »Im Moment. Aber das hält nicht lange.« Was soll ich dazu sagen?
    »Gehst du mit schwimmen?«, frage ich sie. Sie will nicht, also gehe ich allein. Als ich zurückkomme, ist Angela verschwunden, und ihre Mutter weiß auch nicht, wo sie ist – offensichtlich ist es ihr aber auch egal. Ich esse etwas, gehe zu Bett und weine. Ich vermisse Alison. Wäre ich doch mit Mutter zurück nach Tanga gefahren. Ich will nicht in die Schule.
    Das Perlentor
    Am nächsten Morgen ist Angela nicht da; ich gebe ihrer Mutter Bescheid, dass ich zur Mountain Lodge fahre, Mick besuche und morgen den Bus zur Schule nehme.
    Die Mountain Lodge liegt nur zwei Kilometer von der Hauptstraße entfernt, aber es geht ziemlich weit den Mount Merus hinauf. Ich kann diese Strecke durchaus laufen, denn es ist Vormittag, und das Arusha-Gebiet liegt relativ hoch; hier ist es noch immer kühl. Ich nähere mich der Lodge. Zwischen den Bäumen sehe ich die Garage, in der Micks Bultaco-Motorräder und ein Beach-Buggy mit platten Reifen stehen. Vor der Lodge läuft ein Bach den Berg herab, und direkt an der Brücke gibt es zwei Becken, Forellenteiche. Mick steht dort neben einem Arbeiter, der mit einem Netz an einer langen Bambusstange Regenbogenforellen herausfischt. Er hat mich noch nicht gesehen. Sein Oberkörper ist nackt, mager.
    »Mick!«, rufe ich. Er blickt auf und lächelt. Kommt zu mir auf die Brücke, ringt nach Atem und legt mir den Arm um die Schulter.
    »Hilfst du einem kranken Mann nach Hause?«, fragt er.
    »Klar.«
    »Alison – ist sie abgereist?«
    »Ja. Angela war zu Hause, aber … ich kenne sie doch gar nicht richtig.«
    »Wildes Mädchen«, sagt er.
    »Bist wohl scharf auf sie?«
    »Nein, ich kann sie nicht ausstehen«, erwidert Mick. »Ein zu dreckiges Mundwerk.«
    Wir sind am Haus. Mahmoud serviert Mittagessen und Tee auf der Veranda. Wir rauchen.
    »Ich muss mich ein bisschen hinlegen«, entschuldigt sich Mick. »Ich bin noch immer nicht ganz wiederhergestellt. Aber du kannst gern mitkommen.« Er blinzelt mir zu.
    »Das könnte dir so passen», antworte ich und bleibe sitzen.
    »Aber du bleibst doch bis morgen, oder?« Ich nicke. Er geht ins Haus. Ich sehe mir den Garten an. Ich bin fünfzehn Jahre alt. Mick ist siebzehn. Ich bin noch immer Jungfrau. Ich gehe ins Haupthaus. Im Parterre gibt es ein Kaminzimmer und einen Speisesaal für die Touristen, voller Jagdtrophäen und Felle. Die Familie wohnt im ersten Stock. Ich gehe die Treppe hinauf. Die Tür zu Micks Zimmer steht einen Spalt offen. Ich gehe darauf zu.
    »Komm rein«, fordert er mich auf, und ich gehe hinein. Es geschieht sehr behutsam, sehr schön. Ich bekomme eine Gänsehaut, als er mich auszieht. Wir sind vorsichtig, bis Mick die Hände und die Zunge an dieser besonderen Stelle einsetzt – das ist mehr als schön. Er hebt den Kopf und sieht mich an.
    »Das Perlentor«, sagt er.
    Rauchen am Morgen
    Erster Schultag. Um sieben Uhr dreißig renne ich von meinem Haus, Kiongozi, zum Speisesaal. Die Internatsschüler sind nach Alter und Geschlecht auf die Häuser verteilt. Einige Häuser stehen ein Stück von der Schule entfernt, aber Kiongozi liegt direkt am Spielplatz der jüngeren Schüler. Immer komme ich erst im letzten Moment mit strubbeligen Haaren und den Büchern unter dem Arm los, mir bleibt dann lediglich eine Viertelstunde zum
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