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Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht

Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht

Titel: Evermore - Der Stern der Nacht - Noël, A: Evermore - Der Stern der Nacht
Autoren: Alyson Noël
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»Irgendwie hab ich einfach diese … Technik nicht beherrscht.«
    Er reicht mir das Bild, und ich betrachte es genauer. Alles ist da – ich, die Tulpen, und obwohl Damen nicht darauf abgebildet ist, fühle ich einfach seine Gegenwart.
    Sehe die Liebe, die er für mich hegte, in jedem Pinselstrich.
    »Ich würde nicht so schnell einfach alles wegpacken, ohne wenigstens erst einen Blick darauf zu werfen«, sagt Jude. »Wer weiß, was für andere Schätze sich hier noch finden lassen.«
    »Du meinst, so was wie das hier?« Miles schlüpft in den seidenen Morgenmantel, den Roman am Abend meines siebzehnten Geburtstags trug – dem Abend, der beinahe so tragisch geendet hätte –, bis ich endlich den Mut und die Kraft aufbrachte, ihn von mir wegzustoßen. »Soll ich den behalten?«, fragt er, bindet sich das Band fest um die Taille und führt ein paar Modelposen vor. »Ich meine, falls ich je eingeladen werde, für eine Rolle als Hugh Hefner vorzusprechen, hätte ich gleich das optimale Outfit!«
    Ich will schon fast Nein sagen.
    Will ihn schon bitten, das Ding auszuziehen und wegzupacken.
    Will schon erklären, dass es viel zu viele böse Erinnerungen für mich birgt.
    Doch dann fällt mir wieder ein, was Damen einst über Erinnerungen gesagt hat – dass sie einen verfolgen.
    Da ich mich aber weigere, mich von meinen verfolgen zu lassen, hole ich nur tief Luft und sage lächelnd: »Also, ich finde, er steht dir richtig gut. Du musst ihn unbedingt behalten.«

VIERZIG
    G laubst du, dass das schon mal jemand gemacht hat?«
    Ich knie mich vor das Loch, das ich soeben gegraben habe. Das fette, feuchte Erdreich bildet ein weiches Kissen unter meinen Knien, als ich mich vorbeuge und das mit Samt ausgeschlagene Kästchen hineinlege, in dem sich alles befindet, was von Haven übrig geblieben ist, also ihr Schmuck und ihre Kleider.
    »Sommerland ist sehr alt«, sagt Damen mit belegter Stimme, sodass ich seine Unruhe und seine Beklommenheit erkenne. »Bestimmt ist alles schon mindestens einmal versucht worden.«
    Sogleich legt er mir eine Hand auf die Schulter, und ich spüre seine Besorgnis förmlich herausströmen. Er hat Angst, dass ich nur so tue, als wäre ich mit meiner Wahl zufrieden, denn er ist überzeugt davon, dass ich in meinem tiefsten Inneren nicht annähernd so gelassen bin, wie ich vorgebe.
    Doch obwohl mich meine Taten unglaublich traurig gemacht haben, stelle ich sie nicht eine Sekunde lang infrage.
    So bin ich nicht mehr.
    Ich habe endlich gelernt, mir selbst zu vertrauen, auf mein Bauchgefühl zu hören und auf meine übermächtigen Instinkte zu achten, und deswegen habe ich mit den Dingen, die ich – wie ich jetzt weiß – tun musste, Frieden geschlossen. Selbst wenn das bedeutet, dass eine weitere verlorene
Seele ins Schattenland geschickt werden musste. Haven war viel zu gefährlich, um sie einfach weitermachen zu lassen.
    Das bedeutet jedoch nicht, dass ich ihr nicht die letzte Ehre erweisen will.
    Das bedeutet nicht, dass ich nicht noch ein bisschen Hoffnung für sie haben kann.
    Nachdem ich vor Kurzem – dank ihr – selbst dort gewesen bin, weiß ich genau, was sie durchmacht. Fallend, schwebend – gezwungen, die Fehler aus ihrer Vergangenheit wieder und wieder Revue passieren zu lassen. Und wenn ich bereit war, daraus zu lernen und mich zu bessern, dann kann sie das möglicherweise auch.
    Vielleicht fühlt sich das Schattenland ja nur so an, als hätte man eine Ewigkeit allein im Abgrund verbracht.
    Vielleicht gibt es irgendwann wirklich eine zweite Chance – einen Schuss Erlösung für eine frisch geläuterte Seele?
    Ich hebe den Deckel von der Schachtel, um noch einen letzten Blick auf die schenkelhohen Stiefel, das hautenge Minikleid, die unzähligen Schmuckstücke – allesamt in Blau
    – zu werfen, die baumelnden Ohrringe und den Berg Ringe, darunter auch den Silberring mit dem Totenschädel, den sie getragen hat, als wir uns zum ersten Mal gesehen haben.
    Damals, als keine von uns je hätte erahnen können, dass unsere Freundschaft so enden würde.
    Dann, bevor ich die Schachtel zumache, manifestiere ich ein Törtchen mit rosafarbenen Zuckerstreuseln und stelle es obendrauf. In Erinnerung daran, dass das ihre Lieblingsleckerei war, eine der früheren, harmloseren Süchte, denen sie sich so hemmungslos hingab.
    Damen kniet sich neben mich, schaut erst das Törtchen und dann mich an und fragt: »Wofür ist das?«
    Ich hole tief Luft, werfe einen letzten Blick auf alles und
mache den Deckel
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