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Es wird Tote geben

Es wird Tote geben

Titel: Es wird Tote geben
Autoren: Georg Haderer
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Schäfer freundlich zu. Herbert, Herbert Irgendwas, kam es ihm in den Sinn, Einkaufsleiter in einem Baumarkt, seit sieben Monaten trocken. Woher er das wusste? Drei Wochen zuvor war er nach langer Zeit wieder einmal zu einem Treffen der Anonymen gegangen. Nicht dass er sich als Alkoholiker betrachtete – schließlich gelang es ihm durchaus, ein paar Tage gänzlich ohne Wein auszukommen, oder? Doch er hatte eine schwierige Phase hinter sich, steckte vielleicht auch noch mittendrin, das ließ sich nicht immer genau beurteilen; jedenfalls fand er es eines Morgens bedenklich, dass auf seinem Küchentisch zwei leere Weinflaschen und nur ein Glas standen. Wo einem Mann seiner Intelligenz und seines immer noch passablen Äußeren eigentlich zwei Gläser und eine leere Flasche zustünden. Besser eine noch halbvolle, die zu leeren die leidenschaftlich sich Begehrenden nicht mehr geschafft hatten, zumal das brennende Verlangen sie ins Schlafzimmer getrieben hatte. Seinen mitunter erhöhten Alkoholkonsum auf die Abwesenheit einer liebenden Gefährtin zu schieben, kam ihm dennoch nicht in den Sinn. Das wäre, als würde man einen Ziegelstein in einen Brunnen werfen, nur um zu sehen, ob er möglicherweise die dunkle Leere ausfüllen konnte.
    Zurück auf dem Posten, fand er in seinem Postfach einen Brief des Bürgermeisters und den vorläufigen Obduktionsbericht von Yvonne Raab. Auf den ersten Blick nichts Auffälliges. Blieben die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung, doch die würden bestimmt erst in ein paar Tagen eintreffen.
    Schäfer öffnete das Kuvert aus dem Rathaus. Die Ahnung, wieder einmal zu einer unerträglich langweiligen Veranstaltung eingeladen respektive verpflichtet zu werden, wich bald einem heiteren Staunen. Seit dem Wochenende befände sich die deutsche Filmproduktion Fifi TV Productions vor Ort. Zurzeit würden ein paar Mitarbeiter die Gegend nach geeigneten Drehorten durchforsten – jetzt ging Schäfer auch auf, was es mit den beiden Kleinbussen am Waldrand auf sich gehabt hatte –, doch stünde es so gut wie fest, dass demnächst die Dreharbeiten für den Pilotfilm einer Krimiserie begännen. Weshalb alle Mitarbeiter der örtlichen Exekutive – und Schäfer als ihr Vorgesetzter in besonderem Maße – angehalten wären, die Mitwirkenden nach besten Kräften zu unterstützen. Schließlich böte die mediale Wiedergabe der Schönheit der Gemeinde auf unzähligen Bildschirmen, auf dem gesamten deutschen Markt (!), eine unbezahlbare Chance für die touristische Entwicklung. Was gerade in Zeiten wie diesen, bla bla, und umso mehr, wenn die Produktion tatsächlich in Serie ginge, weshalb er, der Bürgermeister, noch einmal betonen wolle, wie wichtig, bla bla bla.
    Ungläubig las Schäfer den Brief ein zweites Mal. Schönheit der Gemeinde? Touristische Entwicklung? Höchstens, wenn die Gäste selbst ein paar Leichen im Wald suchen durften. Bürgermeister König … der sollte diese Wichtigtuer doch selbst in der Gegend herumchauffieren. Andererseits: Was gab es einzuwenden gegen ein wenig Abwechslung zu diesem monotonen Dasein? Zu diesen banalen Ereignissen, der Eintönigkeit und Vorhersehbarkeit, die Schäfers Kriminalinstinkt langsam, aber sicher einschläferten. (Bis aus ihm ein weinselig grinsender oder menschenfeindlich pensionsabwartender Provinzgendarm würde, der im Garten saß und seine Katze auf weiße Mäuse hetzte.) Warum den Ort nicht für ein paar Wochen zum Schauplatz einer haarsträubenden Verbrechensserie machen? Herbei mit den Knallchargen und Komparsen! Zudem, hurra die Gams, scharwenzelten doch im Tross solcher Filmproduktionen bekanntlich jede Menge Frauen, die sich an einem fremden Ort gewiss leichter damit taten, beengende Moralvorstellungen abzulegen. Hm, das hatte etwas für sich, grübelte Schäfer. Mit seinem aktuellen Liebesleben konnte er nämlich höchstens einem Priester etwas beibringen – und das war in Zeiten wie diesen schon sehr ungewiss.
    Er ließ Inspektorin Auer in sein Büro kommen.
    „Dieses Filmteam, das seit dem Wochenende hier ist …“
    „Ja?“
    „Dort, wo sich dieses Mädchen aufs Gleis gelegt hat, sind zwei Busse von denen gestanden … Finden Sie heraus, wo die wohnen, fahren Sie mit Friedmann hin und fragen Sie nach, ob die irgendwas bemerkt haben.“
    „Ja … zu diesem Mädchen, da wollte ich Sie sowieso noch etwas fragen.“ Auer setzte sich zögerlich. „Das ist am 6.6. passiert … kurz nach sechs Uhr morgens …“
    „Und?“ Schäfer
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