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Es wird Tote geben

Es wird Tote geben

Titel: Es wird Tote geben
Autoren: Georg Haderer
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Schäfer ihn noch nie mit dunklen Augenringen oder gähnen gesehen.
    Friedmann war in Schäfers Alter und tat seit zwanzig Jahren Dienst in Schaching. Er hatte die Gelassenheit und Statur eines Hufschmieds, und so wie dieser nach getaner Arbeit den Hammer in der Werkstatt lässt, beherrschte auch Friedmann die Kunst, den Dienst mit der Uniform abzustreifen. Er ging nach Hause, rief als Erstes den Namen seiner Frau und rieb sich freudig die Hände, wenn es aus der Küche nach Braten duftete. Sich mit diesem gerechten Koloss anzulegen, erlaubten sich nur seine beiden Teenager-Töchter. Bei jedem anderen erwachsenen Einheimischen fiel es unter Blasphemie.
    Hornig? Gut, so wie jedes Stück des hiesigen Bauerntheaters einen Tölpel mit wenig Text und vielen Grimassen brauchte, mussten sich auch in den Polizeiinspektionen Männer vom Schlage Hornigs finden. Deren Widersacher waren weniger Gesetzesbrecher als die Umstellung von Schreibmaschine auf Computer oder die Vorschrift, sich nach Dienstende nicht in Uniform zu besaufen. Das anfänglich angespannte Verhältnis zwischen Schäfer und Hornig war wohl ebendiesen zahlreichen weißweinträchtigen Stunden nach Feierabend geschuldet. In denen sich Hornig als künftiger Postenkommandant von Schaching gesehen hatte – ein Traum, den ihm der Major aus Wien zerstört hatte, der zwar aus Wien, aber eben Major war.
    Dann die beiden Iron Cops. Zwei Muskelmaschinen Mitte zwanzig mit Sechs-Millimeter-Haarschnitt, die auftraten, als könnten sie jeden Moment nach Afghanistan abberufen werden, um den Außenminister aus der Geiselhaft zu befreien. Dabei war jedem am Posten klar, dass die wahre Macht von ihren beiden Ehefrauen ausging, die ihren Männern allein schon wegen des bald zu erwartenden Nachwuchses keinen gefährlicheren Beruf erlaubten.
    Und schließlich Auer. Eine ländliche Neubesetzung von Schäfers ehemaliger Mitarbeiterin Kovacs: durchtrainiert, klug, ehrgeizig. Obendrein sehr attraktiv, was schon einige Beifahrerinnen von männlichen Fahrzeuglenkern nach der Verkehrskontrolle zum mürrischen oder neckischen Kommentar bewogen hatte: Seit wann bist du denn zu Polizisten so nett?
    Auch Schäfer verstand sich gut mit ihr. Und die paar Mal, als er ihr vorwitziges Hinterfragen eines Befehls („Aber warum …“) ohne Diskussion beendete („Weil ich Ihr Vorgesetzter bin“), hatten auf keiner Seite zu einer längeren Verstimmung geführt.
    Er rief Auer an und trug ihr auf, in der Gerichtsmedizin nach dem Obduktionsbericht zu fragen. Dann trank er ein Glas Wasser in einem Zug, legte das Holster an und ging auf Streife.

3.
    An der Uniform erkannt zu werden als jemand, der offiziell für Sicherheit und Wohlergehen der Menschen zuständig war: das fühlte sich auch nach fast drei Monaten in Schaching noch seltsam an. Major Schäfer, Hüter der Lebensqualität, Gott behüte, sagte er zu sich selbst. Wobei das Patrouillieren durch den kleinen Ort weniger seiner Pflicht als vielmehr seinem Bewegungsdrang geschuldet war. Gehen. Einen freundlichen Gruß an die Besitzerin der Modeboutique schicken, die gerade ihre Auslage dekoriert. Mit den orange leuchtenden Arbeitern der Müllabfuhr ein paar beruhigende Sätze über einen Einbruch oder Verkehrsunfall wechseln. Dann ein paar Kinder ermahnen, den Ball nicht über den Zaun des Spielplatzes hinauszuschießen. Schließlich würde das unweigerlich dazu führen, dass sie ihm nachliefen, nicht auf den Verkehr achteten und … gut, diese Szene hatte sich bislang nur in seinen Gedanken abgespielt, die oft dazu neigten, seine nunmehrige Tätigkeit zu idealisieren. Ihn auf paradoxe Weise in eine Welt zu versetzen, wo es selbstverständlich war, Kinder auf die Gefahren des Lebens hinzuweisen; wo es gar nicht vorstellbar war, dass sie unter die Räder eines angetrunkenen Autofahrers kamen, weil es solche in dieser Idealwelt nicht gab, da jeder genau wusste, dass Kinder so wertvolle wie unachtsame Existenzen waren, die es unter allen Umständen zu schützen galt, zumal … Major Schäfer, im Ranking der abgedrehtesten Bullen des Landes bist du immer noch vorne mit dabei.
    Als er an der Kirche vorbeikam, sah er durch das Friedhofstor eine Gruppe schwarz gekleideter Menschen. Gemessenen Schrittes, wie es sich gehörte, ein paar Männer schon leise miteinander sprechend, zwei verhalten fröhliche Gesichter. (Wer sollte es ihnen übel nehmen, für sie war es ja noch einmal gut gegangen.) Ein schlanker, groß gewachsener Mann seines Alters nickte
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