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Es wird Tote geben

Es wird Tote geben

Titel: Es wird Tote geben
Autoren: Georg Haderer
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Neben dem Autowrack standen sechs Personen, darunter der Kameramann bei der Arbeit, bedrängt von einem sichtlich erregten Lehnhart, der ihm wohl etwas wie: „Halt drauf, halt drauf“ ins Ohr bellte. Schäfer wünschte sich ein Maschinengewehr. Als er sich entschied, hinter der Tür das Eintreffen der Spezialeinheit abzuwarten, trat plötzlich Brandt hinter dem Kamin hervor, lief mit erhobener Waffe über den Metallsteg und begann zu schießen.
    „Ah, Scheiße!“, schrie Schäfer, den eine Kugel am rechten Oberschenkel getroffen hatte, und ging zu Boden. Blitzschnell griff Sanders zu dessen Dienstwaffe, richtete sie auf den heranstürmenden Regisseur und drückte ab. Der erste Schuss traf Brandt in die rechte Schulter, der zweite zwischen die Augen. Exitus. Der tote Körper stürzte aufs Dach, riss ein paar Schindeln mit und stürzte in die Tiefe. Der Kameramann folgte dem Fall höchst professionell.
    „Anfängerglück“, stöhnte Schäfer und legte sich auf den Rücken. Wie friedlich so plötzlich. Wie forsch der Wind seine weißen Schäfchen über die leuchtend blaue Weide trieb.

48.
    Sechs Tage später. Nur vereinzelt fand sich die Geschichte noch auf den Titelseiten der Tageszeitungen wieder. Bald würde sie ins Blattinnere rutschen. Und nach Schäfers Erfahrung würde sie auch von dort bald verschwinden und nur noch in der Region ein bestimmendes Gesprächsthema bleiben. Was gab es denn noch großartig zu berichten? Brandt war tot, Laura Graber im Gefängnis, ihr Geständnis deckte sich so gut wie in allen Punkten mit Schäfers Vermutungen. Sie hatte Brandt kennengelernt, als sie während des Studiums als Anwaltsgehilfin in München arbeitete. Er war damals schon ein bekannter Regisseur, und als ihn die Kanzlei Thiel & Olsen wegen der Verführung einer Minderjährigen vertrat, folgte das Gericht in den wesentlichen Punkten der Ansicht der Verteidigung. Das Mädchen hätte Brandt verführt, um hernach eine Rolle erpressen zu können. Sie war zwar erst fünfzehn, konnte mit viel Fantasie aber auch als achtzehn durchgehen. Bei der Herkunft der Drogen stand Aussage gegen Aussage, und da beide Parteien diesbezüglich keine unbeschriebenen Blätter waren, konnte dieses Delikt letztendlich nicht gegen Brandt verwendet werden. Blieb eine Bewährungsstrafe. Und ein möglicherweise unter Drogen gesetztes und vergewaltigtes Mädchen, dessen erst sehr spät getätigte Aussage, dass Brandt sie während des unfreiwilligen Geschlechtsverkehrs gefilmt hätte, als unglaubwürdig angesehen worden war.
    Auf die Frage, ob sie, Laura Graber, sich in Brandt verliebt hätte, konnte sie keine eindeutige Antwort geben. Was sie unter einer seltsamen Anziehungskraft verstand, wollte Schäfer gar nicht so genau wissen. Es war schlimm genug zu erfahren, welche Folgen diese Beziehung mit sich gebracht hatte. Beide empfanden sie große Lust dabei, jüngere Menschen – egal welchen Geschlechts – für sich einzunehmen und zu verführen; bei Konzerten, in Lokalen, im Umfeld von Dreharbeiten. Er der Regisseur, sie die Anwältin, ein seriöses Team, wer würde da Böses vermuten? „Dass Sie eine Nymphomanin sind, hätten sie mir damals am Posten ruhig sagen können“, hatte Schäfer vergebens versucht, die ihn schwer belastende Verhörsituation aufzulockern. Es ging aber gar nicht um Sex, nicht in erster Linie. Es ging darum, Macht auszuüben, jemand anderen in seiner Hand zu wissen, auszuprobieren, wie weit man gehen konnte. Nichts, das Schäfer zum ersten Mal gehört hätte. Und wie weit waren sie gegangen, bevor sie dorthin gelangten, wo sie geboren worden war?
    Zuerst harmlos. Sex zu zweit, im Freien, in Autos, in Hotelzimmern, in Wohnungen, die für den Dreh verwendet wurden; eine Kamera lief schon damals immer mit, irgendwo versteckt oder von dem bedient, der die Hosen noch anhatte. Dann hatten sie mit den Drogen begonnen, Alkohol so gut wie immer, um allfällige Spannungen abzubauen. Etwa nach einem Jahr waren sie zu illegalen Drogen übergegangen, aber immer auf freiwilliger Basis, wie Laura Graber versicherte. Als ob ihr das in der Anklageschrift irgendwelche Pluspunkte einbringen könnte. Irgendwann hätte Brandt dann einem Mädchen wohl etwas in ein Getränk getan. Was für ein Etwas? Ecstasy wahrscheinlich, oder etwas in der Richtung, bei Drogen hätte sie sich nie so gut ausgekannt, die hätte immer Brandt besorgt. Netter Versuch, sich aus der Affäre zu ziehen, ganz die clevere Anwältin.
    „Sie haben also nie bemerkt,
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