Es wird Tote geben
dämliches Geschwätz … jedes Mal passiert mir etwas, wenn ich mit solchen Todesfällen zu tun habe, wenn ich ein zerfetztes Mädchen am Bahndamm liegen sehe, wenn ich zu den Eltern gehen muss …“
„Verzeihung … ich bin vielleicht nicht der Richtige, um das zu beurteilen.“
„Reicht schon, wenn Sie zuhören.“ Schäfer stand auf, füllte den Wasserkocher und goss eine Kanne Tee auf. Er nahm die Ausdrucke, die sein Kollege zuvor dagelassen hatte, und warf sie auf den Schreibtisch.
„Was ist das?“
„Was Sie schon immer über Ihre Kollegen wissen wollten …“
„Jetzt bin ich aber gespannt, was da über mich drinsteht.“ Sanders fing an zu blättern.
„Wein ist aus“, meinte Schäfer, nachdem er Sanders eine Tasse hingestellt hatte.
„Danke …“
„Als ob ich nach so was einfach nach Hause gehen könnte“, fuhr Schäfer nach einer Schweigeminute fort und fuchtelte mit seinen Händen herum, „ich bin ja in keinem Ihrer Filme, wo der Held kurz durchschnauft, sich auf die Schulter klopfen lässt und erst einmal zwölf Stunden schlafen darf … Ich kann nicht schlafen!“
„Ja, aber dafür sind Sie nicht angeschossen worden“, versuchte Sanders zu beschwichtigen, „und bei mir wäre der erste Verdächtige nie der Täter gewesen! Da hätten Sie schon noch mindestens eine Extrarunde drehen müssen … und vielleicht noch eine Kugel eingefangen.“
„Vielleicht sollte ich wirklich zum Film gehen.“ Schäfer nahm einen Schluck Tee und zündete sich eine Zigarette an.
„Das Potenzial haben Sie, ganz ehrlich … Sie haben Ausstrahlung, eine natürliche Autorität, und den harten Polizisten nimmt Ihnen sowieso jeder ab.“
„Und schöne Frauen scharwenzeln da auch jede Menge herum …“
„Na, was glauben Sie … da können Sie schon bei den Castings eine Orgie feiern!“
„Die schmeißen sich wirklich so an euch ran, wie es immer erzählt wird?“
„Aber hallo … Sie haben ja gesehen, was los war, als wir hier gedreht haben … und wenn Sie sich die Casting-Mappen anschauen, die wir bekommen, da warten Sie mit dem Heiraten lieber noch ein bisschen …“
„Casting-Mappen“, Schäfer rückte an den Schreibtisch heran, „das sind so Bewerbungsunterlagen …“
„Ja, im Regelfall … aber viele Möchtegern-Schauspielerinnen glauben halt, wenn sie ein paar freizügigere Bilder oder Amateurszenen in die Mappe stellen, haben sie eine Chance, auch wenn sie noch nie eine echte Rolle gehabt haben … und wenn man nicht so ein moralisch integrer Mensch ist wie ich …“
„Halten Sie kurz den Mund.“ Schäfer nahm die Festplatte, die Auer ihm gebracht hatte, und schloss sie an. Dann drehte er den Bildschirm zu Sanders. „Könnte das so eine … digitale Casting-Mappe sein?“
„Mein lieber Scholli“, Sanders rückte näher an den Monitor heran, „ojojo, das sind ja mal straffe Hupen …“
„Ja, schön, ich mach Ihnen eine Kopie, wenn Sie mir eine Antwort geben.“
„Gut möglich … so was geht normalerweise halt nicht direkt an die Firma, sondern an irgendwelche Mitarbeiter, die in der Disco ihre Karte verteilen, um eine rumzukriegen.“
„Lehnhart?“
„Nein“, Sanders lachte wiehernd, „der hat so was nicht nötig.“
„Dieser Tom Schmelzer?“
„Der noch weniger …“
„Also hat Graber das Zeug aus dem Internet zusammengesucht, um sich daran aufzugeilen?“
„Wahrscheinlich“, murmelte Sanders abwesend, zumal er sich wieder den Ermittlungen über seine Kollegen widmete. „Über mich ist da so gut wie gar nichts drin … aber hallo: Erik war einmal wegen Verführung einer Minderjährigen angeklagt!“
„Was!?“, Schäfer riss die Ausdrucke an sich, „Freispruch … Thiel & Olsen als Rechtsvertretung … den Namen kenne ich von irgendwoher.“
„Ist eine ziemlich angesehene Kanzlei in München … die haben inzwischen schon Büros in ganz Deutschland …“
„Und in Salzburg“, schimpfte Schäfer, durchwühlte seine Schubladen und reichte Sanders eine Visitenkarte.
„Und diese Laura Graber ist wer?“
„Simon Grabers Adoptivschwester …“
„Jetzt habe ich den Faden verloren …“
„Laura Graber arbeitet für die Kanzlei, die euren Regisseur verteidigt hat … dann taucht er zufällig an ihrem Geburtsort auf, diese Mädchen sterben und Simon Graber steht als Hauptverdächtiger da … klingelt’s?“
„Na ja, theoretisch wäre das …“
„Nein, ganz praktisch: Brandt kommt viel herum, spielt den Mädels den Filmzampano vor, der
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