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Es wird Tote geben

Es wird Tote geben

Titel: Es wird Tote geben
Autoren: Georg Haderer
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hören.“
    Die gute Nachricht: Nadja Windreiter war wieder aufgetaucht. Sie hatte sich abgesetzt, nachdem sie von Günther Haidegger erfahren hatte, dass Schäfer über ihre Lügen und die Drogen Bescheid wusste. Kopflos vor Angst hatte sie Graber gebeten, sie nach Wien zu bringen, was dieser auch tat. Dort nahmen sie sich in einer Pension ein Zimmer. Auf ihre Bitte hin drehte Graber sein Handy ab, weshalb er bis zum nächsten Tag nicht erreichbar war. Zurück in Schaching, telefonierte er mit Sanders, der ihm die Geschichte von Grabers leiblicher Mutter auftischte. Über Sanders’ Nummer dessen Namen herauszufinden war ein Leichtes für Graber. Er telefonierte die Hotels im näheren Umkreis ab und erfuhr, dass sein Anrufer im Sonnenhof untergebracht war. Dann wurde er zum ersten Mal in seinem Leben gewalttätig. Überfiel Sanders, fuhr zur Wohnung von Frau Materna, wo er Stark mit einem Taser außer Gefecht setzte und seine falsche Mutter ohne jeden Widerstand dazu brachte, mit ihm zu kommen. Sie waren in den Wald gefahren, zum Teich gegangen. Hatten miteinander geredet, aneinander vorbei. Das Telefonat mit Schäfer, das Wasser als letzter Ausweg. In den stundenlangen Gesprächen, die Schäfer seitdem mit Graber geführt, sich hundertfach entschuldigt und eine Entschädigung versprochen hatte, war dieser kein einziges Mal ungehalten oder gar wütend geworden. Es schien ihn nicht zu betreffen, und das traf Schäfer viel mehr, als wenn Graber ihn mit Klagen überhäuft hätte.
    Ja, es gab so gut wie gar nichts mehr: keine Interviews, keine Homestorys, keine psychiatrischen Gutachten; auch kein Wort über Stark, der nach ausführlicher Befragung schleunigst nach Barbados zurückverfrachtet worden war. Auch keinen weiteren Kommentar von Major Schäfer, der nach der Pressekonferenz seinen Urlaub eingereicht und das Telefon abgedreht hatte. Sollten sich diese Geier doch auf die nächste Leiche stürzen.

49.
    Jetzt saß er reglos im Garten – wie lange schon, konnte niemand sagen – und hatte seinen Blick auf eine Birke gerichtet, deren Blätter leise im Wind flirrten. Seine Hand lag auf einer hölzernen Kiste, deren Deckel die Inschrift Armand de Brignac Blanc de Blancs trug. Er wusste nicht mehr, wer sie ihm geschenkt hatte; aus Champagner hatte er sich nie viel gemacht und diesen wohl nur deshalb so lange behalten, weil er niemanden wusste, dem er ihn hätte geben können. Vielleicht war das Zeugs ohnehin schon nicht mehr genießbar; jahrelang in seinem Kellerabteil in Wien, das alles andere als temperaturstabil gewesen war, dann die Übersiedelung, dann einen Monat in der Garage, bevor Schäfer ihn in den Keller gebracht hatte. Wie auch immer, die Flasche stand im Kühlschrank und wartete darauf, geköpft zu werden. Schäfer tätschelte mit der flachen Hand die Kiste, stand auf und holte sein Telefon.
    „Ich bin’s, Schäfer … Ja, ich war in der Versenkung … Nein, nein, es geht mir gut … Sind Sie noch hier oder schon wieder in Deutschland? … Haben Sie Zeit, vorbeizukommen? … Lassen Sie sich nur Zeit, ich bin zu Hause.“
    Er ging in die Küche, richtete sich ein Käse- und ein Speckbrot, schnitt drei Tomaten auf und setzte sich an den Tisch. Eine halbe Stunde später stand der Teller immer noch unberührt vor ihm. Er stand auf, stellte sich an die Spüle, trank ein Glas Wasser, wusch sich das Gesicht und lehnte die Stirn an den Oberschrank. Was ist los mit dir? Wo ist der knallharte Major, dessen Tränen höchstens nach innen fließen? Na gut, dann lass sie raus, lass es zu, lass alles raus.
    Abermals wusch er sich das Gesicht mit kaltem Wasser, öffnete den Kühlschrank, nahm den Champagner heraus und prüfte mit der Wange dessen Temperatur. Er holte zwei Weingläser aus dem Oberschrank – über Sektflöten verfügte er nicht –, ging in den Garten und wartete auf Sanders.
    „Jetzt ist gerade die Beerdigung“, meinte der, nachdem er wie immer über den Gartenzaun gestiegen war und sich an den Gartentisch gesetzt hatte. „Von der Frau Materna und ihrem Sohn“, ergänzte er, als Schäfer nichts erwiderte.
    „Ja … ich habe die Glocken gehört.“
    „Gibt’s was zu feiern?“, Sanders deutete auf die Champagnerflasche, „Armand de Brignac … Wahnsinn, wissen Sie, was der kostet?“
    „Nein … war ein Geschenk.“
    „Na, hoffentlich haben Sie sich ordentlich bedankt … unter vierhundert Euro ist der nicht zu haben.“
    „Wahrscheinlich ist er eh schon hinüber.“ Schäfer drehte den
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