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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei
Autoren: Rosemarie Bus
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Valerie, auch offen zugegeben. Verständlicherweise verschwieg er allerdings, dass er das H&H-Gewehr, versteckt in zwei blauen Mülltüten, mit sich führte. Mittels der Tüten und der gutmütigen Angelina war es ihm gelungen, die Leiche ungesehen vom Tatort quer durch die Wälder bis zum Fundort zu transportieren, ohne das Dorf zu passieren. Über ein Gelände, das am Sonntagabend, dem Zeitpunkt des Mordes, still und verlassen dalag, aber an Wochentagen vom Lärm der Bulldozer widerhallte. Er wusste, dass es nahezu unmöglich sein würde, dort irgendwelche Spuren zu verfolgen. Nicht einmal, wenn sie von den Hufen eines Pferdes stammten.
    Renate beauftragte noch in Italien zwei namhafte Psychiater, bei Andreas eine Geisteskrankheit zu diagnostizieren, egal welche. Ein Verrückter, lebenslang in die Psychiatrie abgeschoben, war ihr als Ehemann weitaus angenehmer als ein Mörder im Gefängnis.
    Auf Jochens Beerdigung in Dießen am Ammersee beobachtete Stella aus sicherer Entfernung, wie Katharina und Renate sich umarmten und Hand in Hand Jochen jeweils eine Rose ins Grab warfen. Renate eine weiße, Katharina eine rote. Der Herbst war immer noch schön. In den Birken, die sich langsam braun verfärbten und leise im Wind rauschten, zwitscherten die Amseln in den engagierten Vortrag einer Chansonsängerin hinein, die Tourbillon de la vie besser sang als Jeanne Moreau, aber nicht ganz so gefühlvoll wie Katharina. Als sich die Trauergäste zum Kondolieren in einer Reihe aufstellten, ging Stella. Es war alles gesagt.
    Ottos Versöhnungsangebot, den Prozess gegen Andreas für seine Zeitschrift zu verfolgen, hatte sie abgelehnt. Selbst ein zweimaliges Aufstocken des Honorars konnte sie nicht umstimmen. Sie ließ sich lieber im »Bürgerbräu« beim Bedienenvon betrunkenen Landratsamtsangestellten in den Dirndlausschnitt starren, als sich schon wieder den Launen eines Chefredakteurs auszusetzen.
    Auch wenn ihr das Eingeständnis schwerfiel, sie hatte an ihrem eigenen verletzten Stolz zu nagen. Ihr ganz persönlicher osso duro . Nach dem überstandenen Abenteuer in Jochens Jagdstüberl hatte Stella zitternd an Lucas Polizistenbrust Halt und Schutz gefunden bis der Krankenwagen eintraf. Er hatte den Arm um sie gelegt und ihren Rücken gestreichelt, sich aber doch gleichzeitig merklich zurückgehalten. Als ob er ein x-beliebiges Opfer eines Verbrechens beruhigen und trösten würde. Ein altes Mütterchen zum Beispiel, dem die Handtasche entrissen worden war. Durch nichts ließ er Stella spüren, dass er schon einmal ganz andere Interessen an ihr gehabt hatte. Sie dachte, es läge daran, dass um sie herum seine Kollegen den Tatort sicherten, Sanitäter den toten Jochen und den immer noch orientierungslosen Andreas abtransportierten, Commissario Manzini herumbrüllte und sich nach und nach etliche Nachbarn einfanden, die persönlich überprüfen wollten, was die verrückten Deutschen nach den Orgien früherer Jahre jetzt wieder alles angestellt hatten. Luca hatte noch darauf bestanden, Stella und Irma ins Krankenhaus bringen zu lassen, um etwaige Folgen eines Schocks zu überprüfen. Ihre Aussagen am nächsten Tag in der Dienststelle der Carabinieri nahm schon ein Kollege auf, der extra für diesen Mordfall aus Südtirol ausgeliehen worden war und perfekt Deutsch sprach. Luca ließ sich nicht blicken. Dafür hatte Stella noch Verständnis, schließlich gab es an diesem Tag Wichtigeres zu tun, als sich um einen One-Night-Stand zu kümmern. Aber an den restlichen Tagen, die sie und Irma noch in Umbrien bleiben mussten, um für die polizeilichen Ermittlungen verfügbar zu sein, hatte er sich auch nicht mehr gemeldet. Oder besser gesagt, tot gestellt. Er antwortete nicht auf ihre Anrufe, und in der Caserma hieß es, er hätte Urlaub genommen, jetzt da der Fall so gut wie abgeschlossensei. Er sei nach Hause gefahren, nach Rom. In Rom lebte Sandra, die deutsche Ehefrau. Stella verzichtete darauf, ihm eine SMS hinterherzuschicken.
    »Was ist jetzt mit deinem hübschen Maresciallo?«, fragte Irma, als sie im Leihcabrio auf dem Weg zurück nach München die Caserma der Carabinieri passierten. »Abgehakt«, sagte Stella. Sie hoffte, es klang nicht so traurig, wie sie sich fühlte. Irma betrachtete mitleidig ihre Tochter und wiegte leicht zweifelnd den Kopf. Ausnahmsweise schwieg sie.

 
    Originalausgabe 2012
    © 2012 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
     
    Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur
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