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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei
Autoren: Rosemarie Bus
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nachdem er schon verklungen war.
    Jochen blieb keine Zeit mehr, das volle Ausmaß ihrer Frage auszuloten.
    Mit fotografischer Präzision registrierte Stella, dass Andreas mit ausgestrecktem Arm und Marlenes kleiner Pistole hinter Jochen stand. In aller Seelenruhe schaute er zu, wie Jochen langsam vornübersank.
    Sie stand langsam auf, als würde jemand an unsichtbaren Fäden ihre Gliedmaßen in die Höhe ziehen.
    »Was tust du da?«, fragte sie, nur damit diese unheimliche Stille nach dem Schuss endete.
    »Sitzen bleiben«, blaffte Andreas, in dem gleichen Kasernenhofton, den Jochen vorher angeschlagen hatte und den sie überhaupt nicht leiden konnte. Dass Andreas ihn beherrschte, überraschte sie. Das hätte sie ihm nicht zugetraut.
    Von Jochen war ein leises Röcheln zu hören, das langsam verebbte. Vor seinem Stuhl breitete sich eine rote Lache aus, zart, aber unaufhörlich, dort, wo etwas weiter oben sein Kopf von der Stuhllehne gestoppt wurde und langsam zur Seite rutschte.
    Auch Andreas bemerkte, dass Jochen auf den Boden zu kippen drohte. Mit dem rechten Fuß versuchte er, ihn zurück auf den Stuhl zu hieven. Aber er entwickelte zu viel Schwung und erreichte nur, dass Jochen auf der anderen Seite des Stuhles wieder heruntersackte.
    Eine Pantomime, deren Bedeutung Stella nur langsam klar wurde. Jochen starb oder war schon tot, und Andreas hatte ihn getötet.
    Es sah nicht nach einem Versehen aus.
    Die Wucht dieser Erkenntnis ließ sie auf der Fensterbank zusammensinken. Sie richtete sich nur mit Mühe wieder auf und streckte anklagend die Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger nach vorn. »Du hast ihn erschossen.«
    Andreas umkreiste Jochen, der nun zusammengekrümmt auf dem Boden lag und den Stuhl mit sich umgerissen hatte. Die Blutlache wurde immer größer. Mit seiner linken Wandersandale hob Andreas Jochens Kopf hoch, vorsichtig, damit kein Blut seine Zehen beschmutzte, und sah ihm ins Gesicht. »Exitus.« Er musste es wissen. Als Arzt.
    Obwohl er mit Marlenes Pistole in der rechten Hand ziemlich nachdrücklich auf Stella zielte, schaffte er es, gleichzeitig mit der linken Hand Jochens Gewehr auf dem Tisch am Lauf zu sich heranzuziehen. Stella fiel auf, dass er Handschuhe trug. Keine Leder- oder Strickhandschuhe wie normale Menschen, wobei kein normaler Mensch in der Nachmittagssonne Umbriensdas Bedürfnis nach Handschuhen gehabt hätte. Auch nicht in einem schattigen Jagdstüberl. Andreas trug weiße, dünne Latexhandschuhe, eng anliegende schmiegsame Chirurgenhandschuhe vom Ärztebedarf. Erstklassige Ware für ein blutiges Handwerk, genau richtig, wenn keine Fingerabdrücke zurückbleiben durften.
    »Raffgierig«, sagte Andreas träumerisch. »Er wollte nur sein Gewehr behalten.« Er hob die Mauser hoch. »Und was machen wir jetzt mit dir?« Eine rein rhetorische Frage, denn so wie er jetzt Jochens Gewehr auf Stellas Oberkörper anlegte, hatte er sich auch über ihr Schicksal schon Gedanken gemacht.
    Ihr Gehirn raste schon wieder auf der Suche nach Antworten, die sie nicht in Gefahr brachten. Alle Antworten waren gefährlich, erkannte sie, wenn auch nicht klar war, in welcher Hinsicht. Der stille, höfliche, hilfsbereite Andreas, der Statist, der immer im Hintergund herumgeisterte, hatte plötzlich die Hauptrolle an sich gerissen. Sie musste sich erst an die neue Sachlage gewöhnen. Gleichzeitig in Panik und absolut ruhig überlegte sie, wie sie ihn davon abhalten konnte, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Reden war die einzige Möglichkeit. »Kleemann wird gleich hier auftauchen. Er sitzt in der Küche und hat sicher den Schuss gehört.«
    Andreas schüttelte ernst den Kopf, als könnte er gar nicht glauben, was für Dummheiten Stella von sich gab. »Kleemann ist mit Marlene einkaufen. Deshalb habe ich doch an die Hauswand uriniert, obwohl das nicht zu meinen Gepflogenheiten gehört. Sie hielt das Bad besetzt, um sich hübsch zu machen für den Ausflug.«
    »Und da hast du gesehen, dass ich in Jochens Zimmer bin.«
    »Jagdstüberl«, sagte er. »Jochens Jagdstüberl. Was du da wohl gesucht hast. Ts, ts, ts.« Er wackelte mit dem erhobenen Zeigefinger. »Vielleicht das Gewehr zum Futteral?«
    »Wie kommst du denn da drauf?«
    »Was hast du denn in einer blauen Plastiktüte aus der Futterkammermitgenommen, meine süße kleine Meisterdetektivin?« Er betrachtete Stella wohlwollend lächelnd wie Otto seine Lieblingspraktikantinnen. »Wusstest du, dass er dich für eine schwache, naive, kleine Journalistin
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