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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei
Autoren: Rosemarie Bus
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Abschaum. Gierig, unbarmherzig und schlecht. Es ist nicht schade um sie.«
    »So ein Denken gab es schon mal in Deutschland«, sagte Stella und hätte sich am liebsten sofort auf die Zunge gebissen. Es war überhaupt nicht klar, wie Andreas den Nazivergleich aufnehmen würde. Als global anerkannte Höchstbeleidigung oder als Kompliment. In seinem kranken Gehirn war beides gefährlich. Aber Andreas hörte ihr nicht zu.
    Er besann sich wieder auf sein Gewehr, zielte mitten auf ihre Stirn, auf die Stelle, wo er seine Schüsse zu platzieren pflegte. »Sie war schön, intelligent und kam aus einer guten Familie, aber sie interessierte sich nur für Sex, Geld und ihr eigenes aufgeblasenes Ego. Du hättest sie hier sehen sollen, die Principessa. Sie hat sich einen Spaß daraus gemacht, uns alle durcheinanderzubringen. Sie spielte mit uns wie eine Katze mit einem Stall voller Mäuse. Völlig rücksichtslos. Ein egomanisches, verlogenes Monster.«
    »Und deswegen hast du sie getötet?«
    »Das war Zufall.« Jetzt schaute er Stella durch das Zielfernrohr so intensiv an, als wollte er sie hypnotisieren. Dann senkteer die Mauser wieder. »Ich wartete mit der H&H im Unterstand auf Beute. Auf Wild. Egal welches. Ich wollte nur dieses Gewehr ausprobieren, dieses Wunder an Präzision und Handwerkskunst. Darin stecken Jahrhunderte an Erfahrung und Können, Liebe und Hingabe. Das spürst du, wenn du es in der Hand hältst. Es ist mehr als nur ein Werkzeug zum Töten, es ist formvollendete Kultur, die ganze Menschheitsgeschichte steckt in dieser Büchse.« Er strich sanft über den Lauf und den Schaft. »Sogar bei einem langweiligen, alltäglichen, völlig durchschnittlichen Ding wie diesem hier spürst du das noch.«
    »Ich dachte, du warst Sanitäter bei der Bundeswehr.«
    »Aber in der Grundausbildung war ich der beste Schütze.«
    »Jochen sagte, du warst nie mit ihm jagen.«
    »Mit ihm? Warum sollte ich. Er hat sich mit dem Jeep an das Wild ranfahren lassen oder es gleich vom Hubschrauber aus abgeknallt. Ich bin Einzelgänger. Nur ich und das Tier. Er hat darüber gelacht.«
    »Wo ist das Holland&Holland-Gewehr jetzt?«
    »Das weiß ich nicht. Ich habe es Jochen zurückgegeben. Damit er den Mund hält. Wie gesagt, auf seine Gier ist Verlass.« Andreas streichelte immer noch den langen Lauf der Mauser, wie ein Ehemann seine Frau streichelt, quasi stellvertretend für die Geliebte, die er in Gedanken umarmt. »Sie kam einfach den Hang hoch. Es war ein Zufall. Ich hatte auf einen Bussard angelegt, holte ihn aber nicht herunter, es wäre nichts von ihm übrig geblieben bei dem großen Kaliber. Ein unwürdiger Tod, den ich ihm nicht zumuten wollte.« Er hielt immer noch dieselbe Stelle im Visier. »Sie lief mir einfach über den Weg, wie ein schönes, seltenes Tier. Sie sang ein Kinderlied. Ein Männlein steht im Walde/ganz still und stumm/und hat von lauter Purpur ein Mäntlein um. Sie kletterte mir entgegen, vollkommen ahnungslos. Erhitzt und angestrengt, ihre Locken flatterten beim Gehen und sie sang so laut sie konnte. Ein Kind, das Angst hat im Wald. Nie habe ich sie mehr geliebt als in diesem Moment.«
    Stopp, hätte Stella jetzt am liebsten eingeworfen, das ist doch hier ein unbekömmliches Gebräu aus Pathos und Selbstmitleid. Eine widerliche Verdrehung der Wahrheit und ganz ekelige Männerromantik. Aber in Anbetracht der Mauser schwieg sie lieber. Jedes Wort zu viel konnte jetzt einen irreversiblen Schaden anrichten.
    »Ja, ich habe sie erschossen«, sagte Andreas. »Es ist mir so passiert. Sie ist meine schönste Trophäe, wenn du so willst. Viel schöner als alles, was dieser Verrückte hier gesammelt und an die Wand genagelt hat. Ich wollte es nicht, aber ich konnte nicht anders. Es war ein Zwang. Ein Rausch, den ich nicht mehr unter Kontrolle hatte.« Er seufzte.
    Stella wagte nicht zu atmen.
    »Ich kann dich nicht laufen lassen. Das ist dir doch bewusst.«
    »Aber töten kannst du mich auch nicht. Es wird sofort klar, dass nur du es gewesen sein kannst.«
    »Das lass meine Sorge sein. Wenn man Jochen hier findet, wird man annehmen, dass er dich erschossen hat.«
    »Und wer hat Jochen erschossen?«
    Er senkte noch einmal für einen kurzen Augenblick das Gewehr und lächelte über so viel Begriffsstutzigkeit. »Ich natürlich. Wer sonst. Nur leider kam ich den Bruchteil einer Sekunde zu spät, um dich noch zu retten.«
    Er hörte das Knarzen auf der Treppe gleichzeitig mit Stella. Beide schauten zur Tür. Aber während ihr
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