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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei
Autoren: Rosemarie Bus
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die Jochen auf den Tisch neben sich gelegt hatte. Bequem in Reichweite.
    ».375!« Er überließ sich wegen ihres Zahlendrehers dem nächsten Heiterkeitsausbruch.
    »Wo ist das Holland&Holland-Gewehr abgeblieben?«
    Jetzt betrachtete er sie so nachdenklich, als säßen sie in einem Bewerbungsgespräch und er müsste überlegen, ob er ihr den Job als Vorzimmerdame zutrauen würde. »Gut versteckt. Dort kann es bleiben, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Es jetzt hier im Haus aufzubewahren, wäre zu gefährlich. Würde die Polizei es finden, wäre es weg.«
    »Du hast das Gewehr nicht mit dem Futteral aus Russland ausgeführt?«
    »Bist du verrückt? Mit den fremden Initialen drauf? Viel zu auffällig.«
    »Warum hast du das Futteral dann überhaupt behalten?«
    »Ich brachte es einfach nicht übers Herz, es wegzuwerfen. Eine Sonderanfertigung, maßgeschneidert. Ich habe es mit der Post an Andreas geschickt.«
    »An Andreas?« Stella musste nachdenken. »Also weiß Andreas von dem Gewehr, hat der Polizei aber nichts davon verraten?«
    »Warum sollte er. Er hängt doch genauso drin wie ich. Ausgerechnet am Vorabend des Mordes an Valerie hatte er es sich geliehen. Der Verdacht wäre genauso auf ihn wie auf mich gefallen.«
    »Wie bitte?«
    »Ja sicher. Er wollte es auch einmal ausprobieren. Das konnte ich ihm schlecht abschlagen, nachdem er das Paket mit dem Futteral für mich beim Zoll abgeholt hatte. Wir sind doch seitewigen Zeiten Freunde. Er wollte das Gewehr auf dem alten Schießstand testen. Heimlich, damit niemand was merkt.«
    »Dass damit vielleicht Valerie erschossen wurde, war dir egal?«
    »Es war mir nicht egal, aber wer soll das gewesen sein? Andreas? Absurd. Er ist Arzt, kein Killer. Er geht ja nicht mal mit auf die Jagd, aus Tierliebe. Außerdem ist er mein Freund. Würdest du einen alten Freund der Polizei ausliefern?«
    »Weiß ich nicht. Aber immerhin ist die Tote deine Frau.«
    »Meine Geliebte.« Er begann im Zimmer auf und ab zu gehen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Das Gewehr schien er vergessen zu haben.
    Stella schaukelte auf dem Fenstersims. Was Jochen ihr da erzählte, passte nicht in ihre Theorie der Geschehnisse. Sie hätte ihn am liebsten am Kragen gepackt und ordentlich durchgerüttelt, damit er seine verstopften Gehirnwindungen endlich frei bekam. Die Wahrheit lag zwischen Umbrien und Sibirien vergraben, mit einer Büroklammer als Kompass. Wenn er nicht der Mörder war, dann hatte sie einen wichtigen Punkt irgendwo übersehen, eine Abzweigung nicht erkannt. Wenn er unschuldig war, dann war es seine Pflicht, ihr zu helfen. Als international angesehener Topmanager musste er geübt darin sein, in einem übergeordneten System die Details ihrem richtigen Platz zuzuordnen.
    »Wo diese verdammte Büroklammer in Valeries Dekolleté herkam, davon hast du wirklich keine Ahnung?«
    »Das hat mich die Polizei auch schon gefragt. Nein.«
    »Du sagst, du hast Andreas das Futteral per Post geschickt. Von wo?« Er setzte sich wieder auf den Stuhl. Rittlings, wie vorher. Nur sah er plötzlich nicht mehr gefährlich aus. Nur noch nachdenklich. »Direkt aus Barnaul. Damit das Paket mit dem Futteral beim Zoll nicht auffällt, habe ich in einem Pelzgeschäft eine Zobelmütze gekauft und sie an Andreas schicken lassen. Ein Service des Geschäfts, das die Mehrwertsteuer spart. DasFutteral habe ich als gebraucht deklariert, ein Flohmarktfund, und einfach dazupacken lassen. Hat prima geklappt.«
    »Hast du das der Polizei erzählt?«
    »Selbstverständlich nicht.«
    »Hat Andreas das Paket geöffnet?«
    Jochen nickte. »Ich habe ihm die Zobelmütze geschenkt. Ein Mann sieht lächerlich damit aus.«
    Auch nicht lächerlicher als mit Kniebundhosen, dachte Stella. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass Jochen auch nur ein normaler, verwirrter Mensch war wie alle anderen auch. Einer, der mit Arroganz seine Angst zu verdecken suchte, statt mit Liebenswürdigkeit oder Bescheidenheit. Vielleicht war er doch nicht so übel, wie sie immer gedacht hatte. »Jetzt lass mich einfach mal so ins Unreine denken. Könnte es sein, dass in dem Paket an Andreas eine ukrainische Büroklammer drin war? Auch ohne dass du es weißt?«
    Er betrachtete lange seine Hände. »Ja«, sagte er schließlich. »Natürlich kann das sein.«
    »Du weißt, was das bedeutet?«
    Er schaute sie an. Ausdruckslos, als sei sie eine Mauer, die ihm den Blick verstellt.
     
    Der Schuss kam von so nahe, dass er noch in ihren Ohren hallte,
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