Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
und sich und Audra umbringen.
    Er trat wieder in die Pedale, zwang Silver, noch schneller zu fahren. Er flog jetzt den Main Street Hill hinab, und er konnte schon die weiß-orangefarbenen Absperrungen sehen, die Warnlaternen mit ihren rauchigen Halloweenlichtern, die den Rand des Abgrunds markierten, er konnte die Dächer und oberen Stockwerke von Häusern aus den eingebrochenen Straßen herausragen sehen, so als wären sie der Fantasie eines hoffnungslos Verrückten entsprungen.
    »Hi-yo, Silver, LOOOS!«, brüllte Bill Denbrough wie im Rausch, und er brauste den Hügel hinab ins Ungewisse und war sich zum letzten Male deutlich bewusst, dass Derry seine Stadt war, dass er unter einem realen Himmel lebendig war und dass Verlangen alles, alles, alles war.
    Er sauste auf Silver den Hügel hinab. Er sauste hügelabwärts, um den Teufel zu schlagen.

6
     
    Verlassen.
    Du gehst also fort, und da ist dieser Drang, noch einmal zurückzublicken, nur noch einmal zurückzublicken, während die Sonne untergeht, ein letztes Mal diese strenge Skyline Neuenglands zu sehen – die Kirchtürme, den Wasserturm, Paul mit seiner Axt über der Schulter. Aber vielleicht ist es doch keine so gute Idee zurückzublicken – das kennt man aus den Geschichten. Schau, was Lots Frau geschehen ist. Lieber doch nicht zurückschauen. Lieber einfach glauben, dass es dieses »Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende« gibt, überall um uns herum – und dass es vielleicht so kommen wird; wer kann schon mit Sicherheit sagen, ob es solche Enden nicht doch geben kann? Nicht alle Boote, die in die Dunkelheit hinaussegeln, sehen die Sonne niemals wieder, finden niemals mehr die Hand eines anderen Kindes; wenn das Leben uns überhaupt etwas lehrt, so lehrt es uns, dass es so viel glückliche Enden gibt, dass ein Mensch, der glaubt, dass es keinen Gott gibt, seinen Geisteszustand ernsthaft in Frage stellen sollte.
    Du gehst fort, und du gehst schnell, als die Sonne unterzugehen beginnt, denkt er in seinem Traum. Genau das tust du. Und wenn du noch einen letzten Gedanken hast, so gilt er vielleicht den Geistern … den Geistern von Kindern, die bei Sonnenuntergang im Wasser standen, einen Kreis bildeten, sich bei den Händen hielten; die Gesichter jung, ja, aber stark … stark genug, um hoffentlich zu verstehen, dass die Menschen, die sie mal sein werden, unweigerlich die Menschen erschaffen müssen, die sie einst waren, ehe sie damit fortfahren können, die Sterblichkeit begreifen zu wollen. Der Kreis schließt sich, das Rad dreht sich, weiter nichts.
    Du brauchst nicht zurückzublicken, um diese Kinder zu sehen; ein Teil von dir wird sie immer sehen, immer mit ihnen leben, sie auf ewig lieben. Sie sind nicht zwangsläufig der beste Teil deiner selbst, aber sie waren einst die Quelle all dessen, was du werden könntest.
    Kinder, ich liebe euch. Ich liebe euch so sehr.
    Also dann, mach dich auf den Weg, fahr schnell, während das letzte Licht erstirbt, fort von Derry, von der Erinnerung … aber niemals von dem Verlangen. Dieses eine bleibt bestehen, jene gleißende Gemme, jenes strahlende Kleinod all dessen, was wir waren, woran wir als Kinder glaubten, was in unseren Augen strahlte, selbst noch dann, wenn wir verloren waren und der Wind in der Nacht blies.
    Fahr fort von hier und versuch auch weiterhin zu lächeln. Schalt das Radio ein, hör ein bisschen Rock and Roll, und geh auf das Leben zu, mit all dem Mut, den du aufbringen kannst, mit all dem Glauben, dessen du fähig bist. Sei tapfer, sei standhaft, halte durch.
    Der Rest ist Finsternis.

7
     
    »He!«
    »Hallo, Mister, Sie …«
    »… passen Sie doch auf!«
    »Dieser verdammte Narr wird sich …«
    Abgerissene Wortfetzen, die er im Vorbeisausen aufschnappte, bedeutungslos wie Wimpel im Sturm oder sich aus verknoteten Trauben lösende Ballons. Da war die weißorangefarbene Absperrung; er konnte den rußigen Kerosingeruch der Warnlaternen riechen. Er sah die gähnende Dunkelheit, wo einmal die Straße gewesen war, er hörte dort unten das mürrische Murmeln von Wasser und lachte.
    Er schwenkte Silver scharf nach links, so nah an die Absperrung heran, dass der Stoff seiner Jeans mit einem wispernden Geräusch an ihr entlangstreifte. Silvers Räder waren weniger als drei Zentimeter von der Kante entfernt, wo der Teerbelag im Nichts endete, und er hatte keinerlei Spiel mehr, um großartig auszuweichen. Vor ihm hatte das Wasser die ganze Straße und die Hälfte des Gehwegs vor Cashs
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher