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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)
Autoren: Horst Bosetzky
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und fand selber, dass das etwas gespreizt klang, schaffte es aber nicht, so unbefangen wie üblich zu sein. Wenn das mit dem nichtehelichen Kind nun doch kein Hirngespinst war und Kockanz wirklich. ..? Er war viel zu aufgeregt, um strategisch vorzugehen, und fiel gleich mit der Tür ins Haus. «Störe ich? Haben Sie schon Besuch?»
    «Nein», antwortete der Major. «Ich bin allein im Haus.»
    Kappe lehnte sein Rad gegen die Mauer, um von Vielitz nicht ansehen zu müssen. Warum log er? Doch wohl nur, weil er Kappe seinen anderen Besucher verheimlichen wollte. Und ohne dass er eine Chance hatte, diesen Impuls zu unterdrücken, setzte er an, die Szene zum Tribunal zu machen. «Pardon, Herr Major, aber ich bin dienstlich hier.»
    «Warum denn das?»
    «Weil uns aus zuverlässiger Quelle berichtet worden ist, dass sich ein gewisser Gottfried Kockanz bei Ihnen aufhalten soll.»
    «Ich kenne keinen Kockanz!», rief von Vielitz.
    «.. . der Mörder des Kohlenarbeiters Paul Tilkowski.»
    «Komm doch erst einmal herein», sagte der Major und trat zurück, um ihn vorbeizulassen.
    Kappe leistete dieser Aufforderung nur zögernd Folge, zumal er keine Waffe bei sich führte. Als sie an der Stelle vorbeikamen, an der er von Weißagk erschossen worden wäre, hätte er das Schild aus dem Eisenbahncoupé nicht in der Brusttasche gehabt, knickten ihm fast die Beine weg. Zugleich aber nahm er das als Beweis für seine Hypothese, dass Kockanz und der Major zusammenhingen: Weißagk hatte bei Kockanz mitbekommen, dass es in der Villa des Majors viel zu holen gab, und sich auf den Weg nach Storkow gemacht.
    «Setzen wir uns», sagte der Major. «Möchtest du etwas trinken?»
    «Nein, danke, ich sage doch, dass ich im Dienst bin.»
    «Vergiss das doch bitte für einen Augenblick.»
    «Das kann ich nicht», beharrte Kappe.
    Der Major goss sich ein Glas Rotwein ein und nahm einen Schluck. «Du hast mir viel zu verdanken, mein Sohn.»
    «Ja, aber Sie mir auch. Ohne mein Eingreifen hätte Weißagk Sie erschossen. Haben Sie eigentlich von Anfang an gewusst, dass es der Diener Ihres Sohnes war?»
    Der Major lächelte. «Was bist du schon für ein guter Kriminaler geworden! Eine solche Frage. .. Welch ein Falle!»
    Kappe war ein ungeduldiger Mensch, und als solcher wollte er die Entscheidung so schnell wie möglich. «Ich weiß hundertprozentig, dass sich Kockanz hier bei Ihnen aufhält - ich habe ihn eben beim Kommen im Fenster gesehen. Sie wissen, dass er ein Mörder ist, aus welchen Motiven heraus auch immer, und da Sie ein Ehrenmann sind, würden Sie nie einem solchen Menschen Zuflucht bieten - es sei denn, er wäre Ihr Sohn.»
    «Das ist in der Tat sehr scharfsinnig geschlossen.»
    «Ist es nun so, wie ich vermute, oder nicht?» Kappe führte das Gespräch immer mehr wie ein Verhör.
    Der Major leerte sein Glas. «Und wenn es so wäre?»
    Kappe zögerte einen Augenblick. «Dann müsste ich Kockanz festnehmen - und Sie ebenfalls.»
    «Und du meinst, wir würden das zulassen?»
    «Meine Familie weiß, dass ich hier bin, und meine Kollegen sind nicht aus Dummsdorf.»
    Von Vielitz wollte die beiden Kerzen anzünden, die in seiner Nähe auf einem Beistelltisch standen, doch seine Hände zitterten derart, dass er mehrere Streichhölzer zerbrach und es dann sein ließ. «Ich habe Geld genug. .. und ich habe in Berlin Einfluss genug, jemanden schnell steigen zu lassen. ..»
    «Darf ich das als Bestechungsversuch werten?»
    Der Major sah ihn lange an. «Du hattest einmal gesagt, du würdest mich mehr lieben als deinen eigenen Vater. Nun beweise es. ..»
    Kappe war den Tränen nahe. «Und wie?»
    Der Major atmete tief durch. «Ja, Gottfried Kockanz ist mein Kind, und ich muss mein Kind davor bewahren, gehängt zu werden, so groß seine Schuld auch sein mag. Niemand außer dir hat Gottfried hier gesehen, und wenn du alles vergisst, was du weißt und was du gesehen hast, dann ist er gerettet. Morgen wollte ich ihn zur Grenze bringen und sehen, dass er über Russisch-Polen in die Vereinigten Staaten kommt. Bitte, Hermann, bitte.»
    Kappe saß da und war unfähig, einen Entschluss zu fassen. Es zerriss ihn schier. Ließ er Kockanz laufen, war das ein Verbrechen, und er würde nie ein großer Kriminaler werden, nahm er Kockanz fest, hatte er seinen Förderer ein für allemal verloren und musste sich vorwerfen, grob undankbar zu sein.
    Auch der Major schwieg und wartete ab, wie der Kampf, der im Innern des jungen Beamten tobte, ausgehen würde. Gänzlich
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