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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)
Autoren: Horst Bosetzky
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verschwand sie im Schlafzimmer.
    «Kann ich mal auf die Toilette?», fragte Kappe. «Bei mir pressiert es etwas.»
    «Ja, jehn Se rin.»
    Kappe war es aber gar nicht um seinen Stuhlgang zu tun, sondern um die Prüfung von Galgenbergs These, dass Frieda Grienerick nicht durch die Wand habe gucken können. Kappe hatte es schon öfter erlebt, dass sich Leute, die kein Fenster in ihrer Toilette hatten, selber Lüftungslöcher ins Mauerwerk gebohrt hatten.
    «Um nicht zu erstinken», wie sie sagten. Und richtig, auch hier in der Wiclefstraße hatte jemand versucht, den Wohnkomfort eigenhändig zu verbessern, und dabei mehrere Ziegelsteine aus der Mauer gebrochen. Es war eine Öffnung von der Größe einer Faust entstanden, wobei so sauber gearbeitet worden war, dass man sie unten vom Kohlenplatz und von der Straße aus nicht erkennen konnte. Das war wichtig, denn mit Sicherheit hätte der Hausbesitzer ein Riesentheater gemacht, wenn sie entdeckt worden wäre. Kappe freute sich mächtig, sah er sich doch darin bestätigt, ein guter Kriminaler zu sein. Nun war nur noch zu hoffen, dass sie Frieda Grienerick ein Geständnis entlocken konnten.
    Sie sah blass und mitgenommen aus, wie sie da im Krankenbett lag, aber Kappe fragte sich, ob die Migräne nicht nur vorgeschoben war. Vielleicht glaubte sie, es nicht mehr nötig zu haben, als Bollemädchen durch die Gegend zu fahren, wo sie in Kürze die Frau des wohlhabenden Kohlenhändlers Gottfried Kockanz sein würde.
    Kappe und Galgenberg begrüßten sie, stellten sich kurz vor, setzten sich auf zwei Stühle und warteten, bis die Mutter das Zimmer wieder verlassen hatte.
    Frieda Grienerick sah sie an. «Sie wollen mich fragen, wie et war, wie die mich vom Milchwagen jestoßen haben?»
    «Das auch, Fräulein Grienerick, zuerst will ich Ihnen aber mal ein schönes Märchen erzählen - das vom armen Bollemeechen und dem reichen Kohlenprinzen.» Und wie ein Märchenonkel trug Kappe ihr die Hypothese vor, die er zuvor Galgenberg gegenüber entwickelt hatte. Während er redete, guckte sie an ihm vorbei aus dem Fenster. «Na, wie nahe bin ich der Wahrheit?», fragte er sie, als er geendet hatte.
    «Ich weiß von nichts», flüsterte sie.
    «Schön. ..» Kappe war sich nicht so ganz sicher, wie nun am besten vorzugehen war. «Wenn es wirklich so ist, wie ich vermute, und es gelingt uns, Kockanz zu überführen, dann sitzen Sie auch auf der Anklagebank - wegen Mitwisserschaft - und werden bestimmt nicht zu knapp bestraft werden. Wenn Sie aber jetzt die Wahrheit sagen, wird jeder Richter sein Mitgefühl für Sie nicht verbergen können.» Das war eine Anspielung auf die Tatsache, dass sie so ungemein hässlich war. Sie tat ihm leid, aber seine Pflicht war es, den Mörder Paul Tilkowskis der Gerechtigkeit zuzuführen. Doch wenn Frieda Grienerick kein Geständnis ablegte - und auch Kockanz schwieg –, dann hatte er wohl keine Chance, dass ihm von Canow und die Staatsanwaltschaft seine Geschichte abnahmen.
    «Wenn das Guckloch nicht wäre, Fräulein Grienerick, würde ich sagen, dass ich mich irre, aber das Guckloch ist nun mal da. Und sie haben hinausgesehen, hinunter auf den Kohlenplatz, als dort ein Schuss gefallen ist. Kockanz hat Tilkowski draußen erschossen und ihn erst dann in seine Baracke geschleppt. Und Sie sind nicht zur Polizei gegangen, um ihn anzuzeigen, weil sie sofort erkannt haben, dass das die große Chance Ihres Lebens ist.»
    Auch Galgenberg schien jetzt überzeugt zu sein, dass Kappe auf der richtigen Spur war, und setzte Frieda Grienerick seinerseits unter Druck. Er öffnete die Zimmertür und rief auf den Flur hinaus: «Frau Grienerick, wo kaufen Sie denn Ihre Kohlen?»
    «Bei Kockanz natürlich.»
    «Und wer holt die immer hoch?»
    «Icke nich, die Frieda.»
    Galgenberg nickte und wandte sich wieder dem Bollemädchen zu. «Da müssen Sie Kockanz also gekannt haben. Er hinkt zwar, hat aber doch so ein bisschen was Aristokratisches an sich, und Geld hat er auch. Was für eine Partie!»
    «Eigentlich völlig unerreichbar für Sie», stieß Kappe nach.
    «Dann aber beobachten Sie ihn, wie er Tilkowski erschießt - und haben ihn von da an in der Hand.»
    «Ich weiß von nichts.» Frieda Grienerick blieb dabei.
    Kappe stand auf. «Gut, dann werden wir einen Haftbefehl gegen Sie erwirken.»
    «Wenn Sie aber die Wahrheit sagen, bleibt Ihnen das erspart», fügte Galgenberg hinzu.
    Gottfried Kockanz stand mit seinem Automobil vor dem Kohlenplatz und sah zum Mietshaus hinauf,
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