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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft
Autoren: Arena
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das Urteil gefällt wurde.
    Vor mehr als einer halben Stunde hatte sich die Flügeltür endgültig geschlossen. Der Beamte in der dunkelgrünen Uniform hatte ein Schild über die Klinke gehängt: »Verhandlung. Bitte nicht stören.«
    Schon breiteten sich die ersten Nachrichten im Gebäude aus. Ein dicklicher Mann mit weißem, aufgedunsenem Gesicht und traurigen Dackelaugen sprach Karl an: »Ich habe dich eben mit dem kleinen Waldhoff reden sehen. Armer Kerl. Wird wohl seinen Vater verlieren.« Karl schwieg.
    Der Mann machte schließlich eine erklärende Bewegung. »Mord ist Mord«, murmelte er. »Ekelhafte Sache das. Die Familie kann einem ja leidtun. Kennst du den Jungen?«
    Karl nickte. »Wenn dieser Märzenich sich besinnen könnte, ja, dann sähe alles anders aus. Komische Sache das. Alle erinnern sich haargenau. Der eine sieht ein Kind, das ins Haus gezogen wird. Er kennt den Tag, die Uhrzeit, weiß genau, welches Kind es ist, obwohl er das Kind vorher nicht gekannt hat. Der andere sieht die Tochter – schönes Weib übrigens«, er rieb sich mit seinen kurzen, wurstigen Fingern über die Nase, »sehr schönes Weib das – husch, sie rennt über den Hof. Knapp zwei Meter kann der Zeuge einsehen. Er erinnert sich. Wie gehabt. Tag, Uhrzeit, Sack. Richtig! Sack. Nur Märzenich, der weiß es nicht genau. War es Peter und Paul? War es der Sonntag? Hat er die ganze Zeit über in der Stube gesessen? War er kurz raus? Er kann sich nicht mehr genau erinnern. Dumm für deinen Freund, was?«
    Karl schluckte an einem Kloß in der Kehle.
    Der Mann beugte sich nach links und tuschelte mit seiner Nachbarin. Schon streifte sein Atem den Jungen wieder. »Er sagt aus. Er ist schon zwanzig Minuten unter Eid. Genau, wie ich es sagte. Er heißt Hase, weiß von nichts.« Karl hielt in seiner Hosentasche das Messer fest umklammert. Kam denn niemand aus dem Saal heraus?
    Er stand auf und ging umher. Eine schwarz gekleidete Frau trug ein Tablett mit Kanne und Tassen vor sich her. Es duftete nach Kaffee. Sie verschwand hinter einer Tür. 273 stand in silbrigen Ziffern daran. Auf Gummirädern schob sich lautlos ein Wagen heran. Wie ein übergroßer Teewagen sah er aus. Ein alter Mann verteilte die Post. Sein Zwicker hing an einer Paketkordel vor seiner Brust. Vor jeder Tür nahm er ihn vor die Augen, prüfte die Zimmernummer, ergriff ein Päckchen Briefe, fächerte sie auseinander und trug sie hinein.
    »Morjen, bitte schön, Morjen.« So arbeitete er sich die Nummern hinauf.
    Gerade als 273 sich wieder öffnete und das Geschirr hinausgetragen wurde, bewegte sich auch die Klinke an der Flügeltür. Das Schild geriet ins Schaukeln. Die Tür wurde aufgestoßen. Pause. Erregt, schnatternd, eilig strömten die Zuhörer aus dem Saal. Sigi drängte sich zwischen ihnen durch, rannte auf Karl zu und fasste ihn bei den Armen. Rote Flecke glühten auf seinen Backen. Seine Augen blitzten.
    »Er hat alles gesagt. Er hat alles gesagt!«
    »Was denn, was denn?«, drängte Karl.
    »Die Wahrheit. Die ganze Wahrheit hat er ausgesagt und beschworen.«
    »Dass er Peter und Paul bei euch war?«
    »Ja. Dass Vater auf dem Sofa Zeitung gelesen und ein bisschen geschlafen hat; dass Ruth nur einmal zur Mutter hinaufgegangen ist und ihr frisches Wasser gebracht hat; dass er nicht eine einzige Minute aus unserem Hause fort gewesen ist.«
    »Toll.«
    Der Banknachbar schob sich heran und rief triumphierend: »Na, Junge, was habe ich dir gesagt? Jetzt ist wieder alles drin!«
    Er ergriff Sigis Hand: »Meinen Glückwunsch, junger Herr. Meinen Glückwunsch!« Er schob sich weiter.
    »Wer ist das?«, fragte Sigi.
    Karl zuckte die Schultern.
    Die Leute verliefen sich. Sie nützten die Pause dazu, eine Tasse Kaffee zu trinken. Karl warf einen Blick in den Saal. Der hohe Richtertisch lag verlassen. Der Saaldiener ordnete die Stuhlreihen. Frau Waldhoff und Ruth standen mit Vater zusammen.
    Herr Ulpius überredete sie zu einer Tasse Kaffee. »Für euch gibt es eine Limonade«, versprach er den Jungen.
    Ruth verließ als Letzte den Saal. Hinter ihr schloss der Gerichtsdiener die Tür und wechselte das Schild. Er hängte eine Tafel an die Klinke: »Pause bis 11.00 Uhr.« Ruth blieb ein wenig zurück. Sie sah sich um. Sie schaute auf den, der da den Flur entlangkam. Sie wartete auf ihn. »Ich möchte dir danken, Gerd, ganz herzlich danken«, sagte sie und blickte auf ihre Fußspitzen.
    »Ruth?« Sie hob den Blick zu ihm auf, sah ihm in die Augen. Er nestelte in seiner
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