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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft
Autoren: Arena
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aus dem Bett, wenn es dunkel ist. Was soll also geschehen?«
    »Wenn du meinst. Aber ganz wohl ist mir nicht dabei. Ich meine, dein Vater …«
    »Eltern sind Eltern«, unterbrach Karl ihn. »Sie sind viel zu ängstlich. Wir sind doch schließlich keine Säuglinge mehr, oder?«
    »Das ja gerade nicht.«
    »Na also. Wir verlassen durch den Stall das Haus. Der Schlüssel passt in die Turmtür. Er steckte innen in der Großen Kirche. Niemand wird es auffallen, dass er fehlt. Nur bei ganz großen Hochzeiten schließt der Küster die Turmtür auf. Wer sollte etwas bemerken? Morgen werde ich den Schlüssel wieder ins Schloss schieben und niemand wird je erfahren, dass wir die Glocken besucht haben.«
    »Du hast dir das schlau ausgedacht, Karl. Ich freue mich auf den Turm.«
    Mutter rief zum Abendbrot. Karl legte den Finger auf den Mund und ließ den Türschlüssel wieder im Bett verschwinden.
    »Ob schon morgen das Urteil gefällt wird, Herr Ulpius?«, fragte Sigi.
    »Wahrscheinlich, Sigi. Es fehlt nur noch ein einziger Zeuge von Gewicht. Das ist Gerd Märzenich.«
    »Ja, was wird Gerd wohl aussagen?«
    »Das Alibi deines Vaters ist gut, Sigi. Alle Zeiten, die er angegeben hat, wurden bestätigt. Manchmal widerwillig, manchmal auch so, dass jeder spürte: Der will dem Waldhoff helfen. Die einzige große Lücke am Mittag und am frühen Nachmittag könnte Gerd füllen.«
    »Er war ja bei uns. Er kann sagen, dass Ruth nicht ein einziges Mal um die Zeit draußen gewesen ist, zu der Mehlbaum sie gesehen haben will. Er saß mit uns in der Stube.«
    »Aber er hat zuletzt ausgesagt, dass er sich nicht genau erinnern kann, Junge.«
    »Er hat gelogen.«
    »Gut. Nehmen wir das an. Du weißt ja, in welcher Lage er steckte. Die Kosten der Beerdigung für seinen Vater, die lange Krankheit, der Arzt, die Medikamente, das alles hat die Schmiede an den Rand des Ruins gebracht. Niemand ließ mehr bei Gerd arbeiten.«
    »Ja, das stimmt. Seit er anders ausgesagt hat, qualmt sein Schornstein wieder«, bestätigte Karl.
    »Er hat gelogen.« Sigi blickte starr auf die Tischplatte.
    »Vielleicht hat er in seiner Not am Ende wirklich nicht mehr gewusst, wie es war.«
    »Er weiß, dass er gelogen hat, Herr Ulpius. Er geht uns aus dem Wege, seitdem er falsch ausgesagt hat.«
    »Sigi, er wird vor Gericht schwören müssen.«
    »Ja. Er wird schwören müssen.«
    »Hoffen wir«, schaltete sich Mutter ein, »hoffen wir, dass alles wieder gut wird.«
    »Alles?« Sigis Fröhlichkeit war fortgeflogen. Er dachte an das ausgeraubte Haus, er dachte an die Nachbarn, an das Spießrutenlaufen am Morgen.
    Karl druckste herum und sagte schließlich: »Vater, kann ich morgen mit zur Kreisstadt fahren?«
    »Du bekommst keinen Stuhl mehr unter den Zuschauern, Junge. Seit Tagen ist jeder Platz vergeben.«
    »Es sitzen doch viele auf der Bank im Flur, Herr Ulpius. Mir wäre es schon lieb, wenn Karl dabei sein könnte.«
    »Du könntest ihn mitnehmen, Vater«, Mutter blickte von ihrem Strickzeug auf. »Du siehst ja, die beiden hängen zusammen wie die Kletten.«
    »Na ja, wenn du meinst, Mutter«, schmunzelte Herr Ulpius.
    »Aber dann schnell ins Bett, ihr Burschen«, befahl Frau Ulpius. »Und erzählt nicht mehr so lange. Morgen um fünf fängt für euch der Tag an.« Ohne Widerrede verschwanden die Jungen. Bald blies Karl die Kerze aus. Aber an Schlafen wollten sie nicht denken. Wer weiß, ob einer von ihnen vor dem Morgengrauen wach geworden wäre.
    »Erzähl etwas, Sigi.«
    »Du kannst es auch, Karl.«
    »Gut, abwechselnd. Fang du an. Wie ist es euch in der fremden Stadt ergangen?«
    »Nicht sehr gut, Karl. Wir bewohnen bei Verwandten ein paar kleine Zimmer. Aber das Gerücht hat uns eingeholt. Es ist schneller als jede Flucht. Bereits ein paar Tage nachdem wir dort angekommen waren, haben wir es erfahren müssen. Ich ging mit Mutter zu einem Steinmetzmeister. Er war ein freundlicher, starker Mann.
    Ohne viel Worte gab er mir einen Meißel und einen Holzschlegel in die Hand, führte mich an den Block und sagte: ›Da liegt ein Stein, Junge, schlag zu.‹
    Ich sah mir den Stein genau an und entdeckte einen Haarriss. Dort setzte ich an und schlug zu. Kräftig genug jedenfalls, dass der Stein in zwei Stücke fiel.
    Da setzte der Meister seine Brille ab, nahm mich bei den Schultern und sagte: ›Da staunt der Fachmann. Der Bursche hält nicht zum ersten Male das Eisen in der Hand. Ich werde dich probehalber einstellen.‹
    ›Wir können aber im Augenblick kein Lehrgeld
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