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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller
Autoren: Denise Mina
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    Eine orangefarbene Sainsbury’s Plastiktüte fegte, vom Wind aufgeplustert, über den in Dunkelheit getauchten Bürgersteig. Sie glitt mit dickem Wanst und gestreckten Henkeln wie ein vornehmer Herr aus viktorianischer Zeit beim Sonntagsspaziergang dahin, vorbei an einer Gartenpforte, dem Verlauf eines niedrigen Gartenmäuerchens folgend, und wurde dann plötzlich von einer Böe erfasst, die die Tüte davonriss und seitlich gegen einen großen weißen Transporter wehte. Luftleer sackte sie zu Boden und legte sich sanft unter den Hinterreifen des Fahrzeugs.
    Der Transporter war kaum drei Wochen alt, gestohlen, mit falschen Nummernschildern versehen, und parkte nun vorschriftsmäßig am Bordstein, der Motor war noch warm. In sechs Stunden würde man ihn schwelend in einem Waldstück finden, alle kriminaltechnisch verwertbaren Spuren der Insassen vernichtet.
    Drei Männer saßen auf dem Vordersitz. Die Gesichter allesamt in eine Richtung gewandt, beobachteten sie den Bungalow auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
    Der Fahrer, Malki, beugte sich über das Lenkrad. Er war dürr wie ein Junkie. Aus den Tiefen seiner Kapuzenjacke verfolgte er die Geschehnisse auf der Straße - wie eine Katze, die sich auf die Lauer legt.
    Die beiden Männer neben ihm bewegten sich, als wären
sie ein einziges Tier. Eddy saß in der Mitte und Pat an der Beifahrertür. Beide waren Mitte zwanzig und hatten zusammen als Türsteher gearbeitet. Sie waren gemeinsam ins Kino gegangen, hatten zusammen Frauen kennengelernt und wieder sitzengelassen, hatten Fitnessstudios besucht und waren einander wie ein Ehepaar immer ähnlicher geworden. Beide waren kräftig, trugen identische brandneue dunkle Tarnhosen, hohe Schnürstiefel, Militärjacken und über die Stirn aufgerollte Skimützen. Alle Sachen kamen frisch aus der Verpackung, und die Knickfalten zeichneten sich noch deutlich ab.
    Hätte man länger hingesehen, hätte man die Unterschiede zwischen beiden erkannt. Eddy, in der Mitte, trank, seit ihn seine Frau mit den Kindern verlassen hatte. Spät nachts, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, aß er fettiges Essen vom Imbiss und machte damit alles zunichte, was er beim Gewichtheben für sich getan hatte. Er war aufgedunsen und verbittert. Eddy gierte nach allem, was er nicht besaß.
    Lange schon war der Umstand, dass Pat gut aussah, zum Stein des Anstoßes zwischen ihnen geworden. Schlimmer noch, Pat wirkte jünger als Eddy. Dank seines ausgeglichenen Charakters aß und trank er nicht so viel und rauchte auch weniger. Er war mit einem üppigen blonden Haarschopf und ansprechenden, gleichmäßigen Gesichtszügen gesegnet und strahlte eine Ruhe aus, die Frauen ein Gefühl von Sicherheit vermittelte. Seine Nase war gebrochen, aber dadurch wirkte sein Gesicht nur umso interessanter.
    Eddy hatte den Plan ausgeheckt und die Ausrüstung besorgt. Streitlustig hatte er beide Garnituren in derselben Größe gekauft, in seiner Größe. Als sie sich gemeinsam in Eddys unaufgeräumter Einzimmerwohnung umzogen,
hatte er eine Dose schwarze Tarnfarbe hervorgekramt und verlangt, dass sie sich die Gesichter einschmierten, als würden sie zum Paintball gehen. Leise, beinahe sanft hatte Pat Nein gesagt und Eddy gebeten, die Dose wegzupacken. Sie würden sowieso Skimützen tragen, Farbe war also nicht notwendig, außerdem verursachte das Zeug auf Pats Haut einen lästigen Juckreiz. Die diebische Freude, mit der Eddy die Tarnfarbe herausgeholt hatte, beunruhigte Pat. Schließlich legten sie nicht letzte Hand an ein gewagtes Halloweenkostüm, sondern hatten vor, ein Haus zu überfallen, was ihnen gut zwanzig Jahre einbringen konnte. Pat hatte bislang keine einzige Nacht in einer Zelle verbracht. Jetzt befingerte er die platte Stelle an seiner Nase, fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, und verbarg so seine Zweifel, während er das Zielobjekt ins Visier nahm.
    Dann betrachtete er die Pistole auf seinem Schoß. Sie war schwerer, als er gedacht hatte, und er fragte sich, ob er sie überhaupt mit einer Hand würde halten können. Als er Eddy ansah, entdeckte er, dass dieser den Bungalow finster anstarrte, als hätte das Gebäude ihn persönlich beleidigt.
    Pat hatte hier eigentlich nichts verloren. Und er hätte auch Malki nicht überreden dürfen mitzumachen. Es ging nicht mehr darum, Eddy aufzumuntern. Das hier war gefährlich, es kam ihm wie ein Fehler vor. Er sah weg. Eddy hatte in letzter Zeit zu viel mitgemacht. Nichts Dramatisches, aber Sachen, die einen
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