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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft
Autoren: Arena
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ist eine eigenartige Atmosphäre in dem dämmrigen Schober. Licht fällt nur durch die halb geöffnete Tür. Die Herren in ihrer feierlichen schwarzen Kleidung passen nicht in diese Umgebung. Der Arzt setzt zweimal an.
    »Ich muss mich damals geirrt haben, meine Herren. Ich habe die Gutachten der Sachverständigen und Professoren studiert. Damals war ich der Meinung, dass auffallend wenig Blutspuren zu sehen gewesen seien. Das stimmte auch. Leider, das sehe ich heute ein, war mein Schluss daraus voreilig. Ich habe nicht bedacht, dass das Blut in die Kleidung des Kindes rinnen konnte. Ich bin in diesem Ort länger als fünfundzwanzig Jahre Arzt, meine Herren. Aber ich bin kein Gerichtsmediziner. So etwas, wie ich es hier sah, habe ich nie zuvor erlebt. Bedenken Sie das bitte. Die Gutachter haben mich jedoch überzeugt. Ich rücke von meiner früheren Meinung, es sei kein Blut an diesem Ort geflossen, ab.«
    Schließlich ging es ins Waldhoff’sche Haus. Die Tür wurde weit aufgestoßen. Keine Klingel ertönte mehr. Frau Waldhoff schlug die Hände gegen die Augen, als sie in den Laden trat. Weinen schüttelte ihre Schultern. Unbemerkt schlüpften einige Männer und Frauen aus der Menge.
    Sie wussten nur zu gut, wie das Haus aussah. Die Fensterscheiben waren zerborsten, das Holzwerk angesengt, die Türen übermütig herausgerissen, die Möbel zerschlagen, die Töpfe zerbeult, vieles gestohlen.
    Das Haus glich von innen mehr einer Ruine als der Wohnstatt, die die Waldhoffs vor noch nicht einem halben Jahr so sorgsam hinter sich verschlossen hatten.
    Endlich, gegen drei Uhr am Nachmittag, löste sich die Menschenansammlung auf. Einer blieb noch eine Weile zurück. Er starrte das Waldhoff’sche Haus an. Seit Stunden stand er hier, ein Fremder. Seine Kleidung war ein wenig abgerissen. Aus dem Hosenumschlag schaute ein Strohhalm hervor. Einen von Regen und Jahren grünlich schimmernden Hut trug er eigenartig nach vorn gezogen. Das schützte die Augen vor der Sonne. Düstere, schwermütige Augen.
    Schließlich schob er sich den Hut in den Nacken, wischte sich den Schweiß aus der Stirn und schlenderte davon.
    Die Herren aus der Kreisstadt nahmen die Gelegenheit wahr und wollten die Große Kirche besichtigen. Waldhoff wurde unter Bewachung zum Bahnhof zurückgeführt. Ruth und Frau Waldhoff suchten im Haus nach Dingen, die vielleicht noch zu gebrauchen waren, und gingen dann schließlich auch zum Bahnhof.
    Als sie an Märzenichs Schmiede vorbeikamen, die Straße lag verlassen wie an irgendeinem anderen Spätsommertag, da sah Ruth Gerd am Eingangstor stehen. Eine lange Sekunde kreuzten sich ihre Blicke.
    »Komm, Ruth«, drängte Frau Waldhoff und zog ihre Tochter mit sich fort.
    Sigi aber tollte mit Karl durch das Haus, sie streichelten Lena, das Schaf, ließen sich Kaffee und Kuchen gut schmecken und waren ausgelassen und fröhlich. Sigi empfand wohl, dass die Fröhlichkeit nicht zu diesem Tag passte. Außer der Erklärung des Arztes war der Ortstermin schlecht für seinen Vater verlaufen. Aber er konnte sich nicht gegen das Gefühl wehren, das diese Stadt, dieses Haus in ihm wachriefen.
    Karl zog ihn in sein Zimmer, drehte hinter sich den Schlüssel im Schloss und flüsterte: »Du wirst staunen über das, was ich vorbereitet habe.«
    Er hob den Strohsack seines Bettes ein wenig an, griff mit der Hand darunter und zog einen langen Schlüssel mit großem Bart hervor.
    »Ein Schlüssel«, stellte Sigi fest und sah Karl erwartungsvoll an.
    »Ein ganz besonderer Schlüssel.«
    »Hast du eine Schatztruhe gefunden?«
    »Viel besser.«
    »Ist dies der Schlüssel eines Spukhauses?«
    »Viel besser.«
    »Du spannst mich auf die Folter, Karl.«
    »Ich werde heute mein Versprechen einlösen.«
    »Versprechen? Du meinst doch nicht etwa, ich kann mit dir …«
    »Doch, das meine ich. Du kannst mit mir auf den Turm steigen.«
    »Wer hat es erlaubt?«
    »Ich erlaube es mir.«
    »Also heimlich?«
    »Ja. Heimlich.«
    »Aber jeder kann uns sehen, wenn wir uns auf dem Umgang am Turmhelm blicken lassen.«
    »Nein, Sigi. Kein Mensch wird uns sehen. Wir werden in der Nacht auf den Turm steigen.«
    »In dieser Nacht?«
    »Ja. Oder hast du Angst? Dann bleiben wir lieber im Bett.«
    »Vor dem Turm habe ich keine Angst.«
    »Na also. Wir schleichen uns hier weg, sobald alle im Hause in den Betten liegen.«
    »Wenn dein Vater oder deine Mutter aber etwas bemerken?«
    »Wie sollten sie? Vater ist müde. Er schnarcht und schläft. Mutter traut sich nicht
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