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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft
Autoren: Arena
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Erst als die Glocken zwölf schlugen, machten sie sich an den Abstieg. Sie wurden still. Es mochte sein, dass der Schlaf ihnen in die Glieder kroch. Aber durch die Müdigkeit hindurch empfanden sie das Besondere dieser Nacht. Sorgfältig schlossen sie die Kirchentür hinter sich und machten sich eilig auf den Heimweg. Schon von Weitem bemerkte Karl den Lichterschein, der aus den Fenstern des Hauses bis auf die Straße fiel.
    »Bei uns haben sie etwas gemerkt«, sagte er erschrocken und lief los.
    Sigi folgte ihm, so schnell er es mit der Dohle eben konnte. Herr Ulpius wartete in der Küche. Neben ihm stand der Aschenbecher. Zwei halb aufgerauchte Zigarren lagen darin.
    »Wo wart ihr?«
    Er sprang auf. Seine Stimme klang aufgeregt. Ohne eine Antwort abzuwarten, gab er Karl eins hinter die Löffel, dass es schallte.
    »Wo ihr wart, will ich wissen.«
    »Karl hat mir schon lange versprochen, mich mit auf den Turm der Großen Kirche zu nehmen.«
    »In der Nacht wart ihr auf dem Turm?«
    Herr Ulpius schien ein wenig erleichtert.
    »Ich dachte schon, ihr wolltet selber Kriminalkommissar spielen. Es heißt nämlich, Jan Maaris, der Landstreicher, habe sich in der Stadt sehen lassen. Kommissar Hundt hat am Abend den ganzen Grafenberg von Soldaten absuchen lassen. Gefunden haben sie ihn jedoch nicht.«
    »Verfolgt er denn immer noch die Spur?«
    »Ja, im Gerichtsgebäude flüsterte man, dass der Kommissar gesagt habe: ›Wenn ich nur den Maaris aufspüren könnte, dann ginge es mir und dem Waldhoff besser.‹«
    Er fuhr sich mit der Hand durch den Haarschopf.
    »Junge, Junge. Ich habe mir vielleicht Sorgen gemacht. Ich war drauf und dran, den Polizisten zu rufen.«
    Dann zog er Karl zu sich heran: »Warum hast du mir vorher nichts gesagt, Junge?«
    Karl rieb sich das rote Ohr und stotterte: »Ich dachte, du würdest es verbieten.«
    »Nicht schlecht gedacht, Junge. Doch darüber wolltest du dich hinwegsetzen, wie?«
    Sigi versuchte, Karl zu helfen: »Ich bin daran schuld, Herr Ulpius.« Er wurde verlegen. »Wir wollten die Stadt von oben, von einer höheren Warte sehen, wissen Sie.«
    Trotz des brennenden Ohres musste Karl lachen. Befremdet sah sein Vater ihn an.
    Karl sagte: »Aber der Schreck, den die erleuchteten Fenster uns eingejagt haben, der hat uns schnell wieder aus den Wolken zurückgeholt, Vater.«
    Herr Ulpius stimmte in das Lachen mit ein. »Du kannst dich freuen, mein Sohn, dass Mutter die ganze Angelegenheit verschlafen hat. Ihr wäre die Aufregung vermutlich schlecht bekommen.«
    »Sehen Sie sich an, Herr Ulpius, was ich mir vom Turm mitgebracht habe.« Sigi trat ins Licht und zeigte seine Dohle vor. Herr Ulpius schaute auf den jungen Vogel, dessen schwarzes Gefieder im Lampenlicht grünlich schillerte. Neugierig stocherte Jakob mit dem maisgelben Schnabel in der Luft herum.
    »Er wird schon heimisch«, sagte Karl.
    »Ja. Aber bevor wir das Thema gänzlich wechseln, mein Junge, will ich dir noch mitteilen, dass ich übers Wochenende zum Altwasser hinausgehe. Einmal muss der Hecht doch beißen.«
    »Wunderbar«, wollte Karl rufen. Doch er kam nicht dazu, sich zu freuen, denn Herr Ulpius fuhr fort: »Aber ohne dich. Ohne den jungen Herrn, der mit seiner hoffentlich letzten väterlichen Ohrfeige sonst wohl zu billig davongekommen wäre.«
    Diesmal wurde nicht nur Karls Ohr feuerrot. Aber er senkte den Kopf. Sein Vater nahm es als Einverständnis.
    »Aber morgen, morgen darf ich doch mit, Vater?«
    »Ich pflege meine Zusagen zu halten, Karl.«

26
    Die Spannung im großen Saal des Landgerichtes war auch in den weitläufigen Gängen des Gerichtsgebäudes zu spüren. Karl saß nicht allein auf der langen Bank vor der Tür. Die Zuschauerplätze hatten die Menschenmenge nicht fassen können. Viele hatten sich geweigert, nach Hause zu gehen, und hielten sich in den Fluren auf. Allgemein erwartete man für den Nachmittag das Urteil. An diesem Vormittag sollte vor den Reden des Staatsanwaltes und der Verteidiger lediglich der letzte Zeuge aussagen.
    Karl hatte Gerd Märzenich bereits am Bahnhof gesehen. Gerd hatte sich abseits gehalten und war in das allerletzte Abteil des Frühzuges gestiegen. Manches bekannte Gesicht konnte Karl im Landgericht entdecken. Kakadü hatte er wieder erkannt. Von Kakabe hieß es, er jage immer noch dem Landstreicher nach. Im Übrigen schien sich die Stadt ein Stelldichein zu geben: Der Bürgermeister, der Arzt, der Polizist, Mehlbaum, Kräfting, Schyffers, alle wollten sie dabei sein, wenn
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