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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft
Autoren: Arena
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zu Weigling in die Stadt«, sagte der Brandmeister.
    Die Feuerwehrmänner schwangen sich in den Wagen. Florian griff nach den Zügeln.
    »Ihr könnt mitfahren«, bot er den Jungen an. Die ließen sich das nicht zweimal sagen und sprangen auf.
    »Hier, greif zu!« Hoppe hielt Karl den Schellenriemen hin. Da spürte Karl nicht mehr den Schmerz in den Muskeln und schlug die Glocke, als ob es zu einem Großfeuer ginge.
    An der Ecke sprang Sigi ab. In der Mühlenstraße floss das Wasser bereits ab.
    Die Keller waren trocken geblieben.
    Niemand befand sich im Laden. Sigi hielt die Ladenschelle fest, ehe er die Tür ganz öffnete. So machten es Waldhoffs alle, damit Mutter oder Ruth nicht unnötig aus der Küche ins Geschäft eilten. Man musste es allerdings verstehen. Gerade im richtigen Augenblick schoss Sigis Hand durch den Spalt und griff den Klöppel. Karl hatte das schon oft versucht, aber es schien so, als ob nur die Waldhoffs diesen Griff lernen konnten.
    Sigi betrat das Wohnzimmer. Der Vater saß am Sekretär und hatte ein Blatt über und über mit Notizen bedeckt. Er schaute gar nicht auf, als Sigi hereinschlüpfte. »Sechs Uhr Synagoge«, murmelte er. »Zeugen: Pfingsten, Sammy Deichsel, Josefowitsch. Sieben Uhr Rückkehr. Vor dem Haus sah mich Märzenich. Acht Uhr dreißig zum ›Goldenen Apfel‹. Dort sprach ich mit Blümer wegen des Rindes. Rück und Scheldrup waren dabei. Mit Rück ging ich zurück in unser Haus. Das war so gegen Viertel vor zehn.«
    »Warum hast du nicht mit Herrn Rück getrunken, Vater?«
    Das war Sigi herausgerutscht, weil es ihm gestern aufgefallen war, dass Herr Rück ganz allein ein Gläschen getrunken hatte.
    Waldhoff fuhr zusammen. »Ach, du bist es, Sigi. Scher dich hinaus. Ich habe zu tun.«
    Schon wollte Sigi weggehen, da rief sein Vater ihn zurück.
    »Komm doch her, Junge. Vielleicht fällt dir noch etwas ein. Ich muss über jede Minute des gestrigen Tages genau Rechenschaft geben können.«
    »Warum denn, Vater?«
    Da nahm Waldhoff seinen Sohn bei den Armen und zog ihn dicht zu sich heran.
    »Sigi, es kann sein, dass für uns schwere Tage kommen. Ruth hat eben erfahren, dass Mehlbaum glaubt, wir hätten den kleinen Jean getötet.«
    »Aber das ist doch Unsinn, Vater.«
    »Das ist es. Aber wir müssen uns mühen, dass alle das einsehen.«
    »Was sagt Herr Mehlbaum denn?«
    »Er hat beim Bürgermeister ausgesagt, dass er gestern gegen drei Uhr aus dem Fenster geschaut habe. Er sei gerade von seiner Mittagsfahrt mit dem Wagen zurückgekommen. Ruth sei über den Hof zu Schyffers’ Scheune gelaufen und habe einen schweren Sack geschleppt.«
    »Aber das geht doch gar nicht, Vater. Wir haben doch in der vorigen Woche unsere Tür zum Hof hin zugenagelt, weil Schloters nicht hereinkommen sollte.«
    »Richtig.« Waldhoff sprang auf. Er schlug sich gegen die Stirn. »Daran habe ich in all der Aufregung gar nicht mehr gedacht.« Er machte sich eine Notiz. »Siehst du, es ist doch gut, wenn du dabei bist.«
    Er las nun seinem Sohn vor, was er herausgefunden hatte: Dass er kurz vor Ende des Hochamtes noch einmal zum »Goldenen Apfel« gegangen war, um mit Blümer zu reden, dass Märzenich beinahe den ganzen Nachmittag bei ihnen gesessen habe, bis sie schließlich gegen halb fünf zur Pumpe gegangen waren.
    Sigi fand noch genau die Uhrzeit heraus, wann Waldhoff vom »Goldenen Apfel« zurückgekommen war. Denn da ging gerade der Franziskanerbruder van de Löcht die Straße hinauf zur Großen Kirche. Jedermann wusste, dass es dann fünf Minuten vor zwölf gewesen sein muss. Um zwölf läutete der Bruder Tag für Tag die Glocke zum Engel des Herrn.
    Der Stundennachweis für Mutter war leicht. Sie hatte bis zum Nachmittag im Bett gelegen, weil sie starke Kopfschmerzen hatte. Aber gab es dafür Zeugen? Kaum. Märzenich mochte ihre Stimme gehört haben, als sie nach Wasser rief und Ruth ihr ein Glas voll frisch von der Pumpe holte. Mehrmals war Ruth auf ein paar Minuten bei ihr gewesen, doch das machte es nur noch schwerer. Denn auch Ruth hatte für diese Minuten niemanden, der ihre Unschuld bezeugen konnte.
    So kam es, dass es Sigi recht bange war, als Waldhoff endlich einen Strich unter all die Zeiten und Zeugen machte.
    »Übrigens, ich habe mit Rück deshalb nicht getrunken, Sohn, weil gestern der Todestag meiner Mutter gewesen ist. Deshalb war ich ja auch schon so früh in der Synagoge, um ihr das Jahrzeitlicht anzustecken.«
    Es dämmerte, als Sigi noch einmal auf die Straße trat. Bei der
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