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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft
Autoren: Arena
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»Vater sagt, unser Volk kommt von weit, weit her und ist nun in der ganzen Welt zerstreut.«
    »Ach, ihr wohnt doch schon immer hier.«
    »Lange wohl. Aber immer?«
    »Ist das etwa nicht so?«
    »Nein. Die meisten jüdischen Familien, die in diesem Städtchen leben, sind im Mittelalter aus Köln hierher geflohen.«
    »Geflohen?«
    »Ja. Es ging damals auf Leben und Tod. Das Leben haben wir übrigens einem der Euren zu verdanken, dem Erzbischof von Köln.«
    »Woher weißt du das alles?«
    »Wir vergessen nicht schnell. Damals war in Köln eine Pest ausgebrochen. Die Juden lebten in einem Stadtteil eng beieinander. Sie sollten das Unheil herbeigezogen haben.«
    »Wie kann jemand eine Krankheit herbeiziehen?«
    »Die Leute dachten, die Pest sei als Gottes Strafe dafür gesandt worden, weil in der Stadt nicht nur Christen lebten. So fielen sie über die Juden her, steckten ihre Häuser in Brand und trieben unsere Vorfahren durch die Straßen. Einige kamen im Feuer um oder starben unter Steinwürfen und Stockschlägen. Da erfuhr der Erzbischof davon, eilte mit Soldaten in unser Wohnviertel und wollte die wilde Menge zur Ruhe mahnen. Doch viel fremdes Volk, das sich zu einem Kreuzzug rüstete, hielt sich damals in der Stadt auf. Es hätte nicht viel gefehlt, da hätte sich die Masse in ihrem blinden Zorn sogar gegen den eigenen Erzbischof gewandt. Der sah das Leid unseres Volkes und erinnerte sich wohl, wie häufig ihm Juden mit der Judensteuer, Geschenken und Darlehen in Geldnöten geholfen hatten, und er versprach uns eine neue Heimat. Die Kölner Juden entkamen mit seiner Hilfe in andere Städte des Bistums. Doch nur wenige konnte er retten. Aufgehetzte Menschen glaubten, es sei ein gutes Werk, einen Juden zu töten. So ist unsere Familie hier in diese Stadt gekommen.«
    »Warum müssen die Menschen sich eigentlich so wehtun?« Weder Karl noch Sigi wussten darauf eine Antwort.
    Dann tröstete sich Karl: »Aber das ist ja lange, lange her. So etwas kommt sicher nie wieder.«
    »Wer weiß das?«, fragte Sigi. Er dachte an all das dumme und böse Geschwätz, das gerade an diesem Tag wieder über die Juden verbreitet wurde.
    »Was hast du, Sigi? Sind wir nicht Freunde?«
    »Ja, Karl. Ich bin dein Freund.«
    »Und ich bin deiner, Sigi.«
    Das Donnern und Blitzen hatte nachgelassen, aber der Regen legte immer noch einen dichten Vorhang vor den Baumspalt.
    Da hörten sie das Geläut von der Großen Kirche her. »Es hat eingeschlagen. Es brennt!«
    Dumpf und bang klang der tiefe Ton der Glocke bis hierher zum Berg. »Wir müssen nach Hause!«
    Sie sprangen aus dem bergenden Stamm hinaus und eilten der Stadt zu.

3
    Doch nicht Blitz und Feuersbrunst zeigte der Glockenton an, sondern Wasserflut. In viele Keller war sie geflossen. Sigi und Karl sahen die Feuerwehr mit ihrer Spritze zur Niederung fahren. Sie eilten dem Pferdegespann nach und holten es ein, als die Schläuche gerade angekoppelt wurden.
    »He, Jungs«, rief Brandmeister Hoppe, »zeigt, was ihr in den Armen habt!« Er wies sie an den Pumpenbalken. An jeder Seite standen sechs Männer. Die Jungen zwängten sich zur Verstärkung zwischen sie. »Auf! Eins, zwei, drei, auf, eins, zwei, drei!«, schrie Hoppe und peitschte den Rhythmus ein. Schon saugte der Zubringerschlauch das Wasser aus dem Keller vom Oirmannshof an. Zischend und gleichmäßig schoss der Strahl aus dem Rohr. Dem Mann an der Spritze machte das Spaß, und er zielte auf die Kühe, die mit hochgeschwungenen Schwänzen davonsprangen.
    »Vielleicht steht auch bei uns das Wasser im Keller«, stieß Karl hervor. Die Jungen schwitzten. Die Arme schmerzten von der ungewohnten Arbeit schon nach wenigen Pumpenzügen. Auch den Männern waren die lauten Worte vergangen. Sie keuchten und pumpten, Zug um Zug, auf und ab.
    »Sollen wir nach Hause gehen?«, fragte Sigi.
    Sie ließen den Pumpenarm los.
    »Ihr da!«, schimpfte der Brandmeister. »Was gibt es? Wollt ihr schon schlappmachen?«
    »Wir wollen nachsehen, ob es bei uns auch in den Keller gelaufen ist.«
    »Nichts da. Das hier ist Notdienst. Da muss jeder zufassen.«
    Die Jungen machten sich wieder an die Arbeit. Der Regen hatte aufgehört. Ganz plötzlich fiel kein Tropfen mehr aus den Wolken. Schon wagten sich die ersten Sonnenstrahlen wieder hervor. Die Erde dampfte. Endlich begann die Pumpe zu spucken.
    »Wasser halt!«, befahl Hoppe. Aufseufzend ließen die Jungen die Arme sinken. Blitzschnell rollten die Feuerwehrleute die Schläuche ein.
    »Jetzt geht es
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