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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns
Autoren: Horst Biernath
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daß sie ziemlich genau wußte, was du ihr antworten würdest.“
    „So?“ sagte sie mit einiger Schärfe, „das wußte sie? — Ich habe nämlich nicht das Gefühl, daß sie sich ihrer Sache so sicher war!“
    „Und weshalb nicht?“
    Jo zögerte mit der Antwort.
    „Nun sag’s schon“, drängte er, „wir haben doch keine Geheimnisse voreinander, nicht wahr?“
    „Ich will’s dir sagen: sie hat mir nämlich für alle Fälle alle möglichen Papiere zugesandt: Taufschein, Impfschein, Geburtsurkunde, Staatsangehörigkeitsausweis, Leumundszeugnis und sogar eine Bestätigung der Aldenberger Stadtpolizei über meine einwandfreie Führung...“
    „Da schau her!“ rief er verblüfft.
    „Da siehst du es!“ sagte sie empört, „so sicher war sich Großmutter meiner Antwort!“
    „Mein Respekt vor der alten Dame wächst von Minute zu
    Minute!stellte er fest; „sie ist wirklich die klügste alte Frau, der ich je in meinem Leben begegnet bin.“
    „Was soll das heißen?“
    „Komm, rück ein wenig zur Seite und laß dich in die Arme nehmen“, bat er und streckte sich an ihrer Seite aus und schob seinen Arm als Kissen unter ihren Kopf, „ich meine nämlich, es wird allerhöchste Zeit, daß wir heiraten. Ich habe mich genau erkundigt. Ehegesetz vom 20. Februar 1946, Paragraph 12... du siehst, ich bin genau im Bilde! Es gibt da nämlich gewisse Umstände, die es dem deutschen Staatsbürger ermöglichen, ohne langes Aufgebot und den sonstigen Klimbim getraut zu werden. Und wir beide sind genau der Fall, auf den dieser Ausnahmezustand zutrifft. Du hast deine Papiere beieinander, und ich brauche sie nur aus dem Koffer zu holen. Also auf, mein Herz, zieh deinen Mantel an, — wir gehen ins Dorf hinunter und reden mit dem Bürgermeister. Die Gegend sieht genau so aus, als ob solch eine eilige Geschichte sich hier nicht zum erstenmal ereignet. Und wenn alles so klappt, wie ich es mir vorstelle, dann bist du morgen um die Mittagszeit Frau Johanna Lockner, geborene Klapfenberg. Oder hast du gegen den Namen etwas einzuwenden? — Na also! — Ich habe einen Anstellungsvertrag über zehn Jahre in der Tasche und verdiene fünfhundert Eierchen im Monat. Dazu kommen im Augenblick rund dreihundert, die ich von der ,Hauspostille’ beziehe. Sie hat jetzt neuntausend feste Bezieher, von denen jeder pro Nummer für mich drei Pfennige bedeutet — rechne dir das mal aus — und ich wette mit dir, daß das Blatt es im Laufe der Jahre auf mindestens dreißigtausend Abonnenten bringen wird. Eher mehr als weniger. Nicht, daß ich eine glänzende Partie bin. Aber ich kann es einmal werden...“
    Er suchte ihren Mund und fand ihn zu einem endlosen Kuß.
    „Ich habe natürlich die Hauptsache vergessen, mein Liebling — dich zu fragen, ob du mich überhaupt magst. Aber ich glaube, du hast mir die Antwort schon gegeben...“

    *

    Es ging nicht ganz so schnell, wie Lothar Lockner es sich unter der Berufung auf den ,Notstand’ vorgestellt hatte. Eine kurze Fahrt nach München ins Innenministerium und ein Attest von Dr. Haase waren noch notwendig, damit Bürgermeister Guggenmoos von Fischen die standesamtliche Trauung im ,Haus Sonnenschein’ vollziehen konnte. Lothar Lockner hatte es Herrn Guggenmoos angeboten, mit seiner Braut in der Bürgermeisterei zu erscheinen.
    „Geh’ns zu, Herr Lockner“, hatte der Bürgermeister gesagt, „ich nehm doch an, daß Ihr Fräulein Braut schon a bisserl in einem sozusagen vorgerückten Zustand ist, net wahr? Ich komme lieber zu Ihnen rauf, da kriegen’s im Dorf kein G’schau und kein G’scheiß, gel?“
    Und so fand die schlichte Feier, bei der Herr Dr. Haase und Schwester Gertrudis als Trauzeugen fungierten, auf Jos Zimmer statt. Sei es nun, daß dieser plötzliche Sprung ins Eheglück Jo allzu heftig angestrengt oder daß Dr. Haase sich in der Zeit ein wenig geirrt hatte, schon am nächsten Tage setzten die Wehen ein und am gleichen Abend schenkte Jo einer kleinen Tochter das Leben. Der junge Ehemann saß, während das winzige Geschöpf sich in die Welt drängte, mit klebendem Hemd und zitternden Händen in seinem Zimmer, rauchte unzählige Zigaretten und fühlte sich, als ihm Schwester Gertrudis endlich die frohe Botschaft von der glücklich überstandenen Geburt brachte, mindestens ebenso erschöpft und ermattet wie die junge Mutter.
    „Steißscheitellänge einundfünfzig, Gewicht sieben Pfund und dreihundertvierzig Gramm!“ sagte Schwester Gertrudis und schüttelte ihm gratulierend und
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