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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns
Autoren: Horst Biernath
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eine typische Pflanz-Geschichte...
    es scheint auch bei solchen Dingen eine Anziehungskraft des Bezüglichen zu geben...“
    „Nun erzähl schon, — was ist da passiert?“
    Da war also ein amerikanisches Paar oder Pärchen, das ins salzburgische Gebiet zum Skilaufen fahren wollte, wegen der Schneeverwehungen in Aldenberg hängengeblieben. Sie hatten beim Pflanz ein Doppelzimmer genommen und waren, nachdem sie im Lokal das übliche Rumpsteak zu sich genommen hatten, ziemlich bald auf ihr Zimmer gegangen. Da Frau Pflanz seit Tagen mit einer schweren Grippe zu Bett lag, hatte sich der Pflanz aus dem ehelichen Schlafgemach ausquartiert und ein kleines Einbettzimmer bezogen, das neben dem Schlafraum des amerikanischen Ehepaares lag. Mitten in der Nacht hatte es einen Krach gegeben, daß der Pflanz mit dem Gefühl, sich im Zentrum eines schweren Erdbebens zu befinden, aus tiefem Schlaf gefahren war. Der Anblick, der sich ihm geboten hatte, war äußerst bestürzend und äußerst reizvoll zu gleicher Zeit gewesen. Weiß der Teufel, was die junge Dame in dem Doppelzimmer für Absichten gehabt hatte. Der Pflanz war zu der Überzeugung gekommen, sie habe in dem breiten und ziemlich wuchtigen Doppel-Lavoir ein Sitzbad genommen. Jedenfalls hatte die dünne, einschichtige Ziegelwand, die die beiden Zimmer trennte, das nicht einkalkulierte Gewicht nicht getragen, sondern war mitsamt Dame und Waschbecken, Gläserbrett und Spiegel zusammengestürzt, ein Loch in die Mauer reißend, das dem Pflanz einen vollen Überblick über die Situation gewährte. Und was er dort inmitten der Scherben und Ziegel erblickt hatte, das war so rund, so rosig und so hübsch anzuschauen gewesen, daß der Pflanz sich noch am Morgen in der Erinnerung an das nächtliche Abenteuer mit dem roten Zungenspitzl über die Lippen gefahren war. Der Amerikaner aber, der im Bett lag und dem der Pflanz von seinem Bett aus gerade ins Gesicht geschaut hatte, war gar nicht besonders erschrocken gewesen, sondern hatte dem Pflanz zugewinkt und in seinem gaumigen Deutsch kaltblütig gesagt, er möge den Schaden auf die Rechnung setzen. —
    Jo amüsierte sich köstlich: „Dieses Aldenberg und seine Geschichten!“ kicherte sie und wischte sich die Augen, „wo hört man so etwas sonst? Ich habe das lausige Nest nie geliebt — du weißt es — aber jetzt, nach so langer Zeit, habe ich eine richtige Sehnsucht danach...“
    „Übrigens hat dem Pflanz seine Elisabeth im Oktober einen strammen Buben bekommen... über zehn Pfund hat er gewogen...“
    „Was!“ rief sie überrascht, und er sah mit Vergnügen, daß sich die Finger ihrer linken Hand blitzschnell nacheinander krümmten und nicht über den Daumen hinauskamen.
    „Ja, für ein Fünfmonatskind eine prächtige Leistung!“
    „Ich hab’s grad nötig, der Pflanz Elisabeth die Zeit nachzurechnen...!“ sagte sie beschämt.
    „Du kannst eben aus deiner Aldenberger Haut nicht heraus, und ich spüre immer mehr, wie mich dieses kleine Lausenest einfängt. Idi fühle mich schon ganz als alter Aldenberger, und ich glaube, ich werde aus Aldenberg nie mehr herauskommen. Ja, ich möchte es nicht einmal...“ Er nahm ihre Hand und führte die Finger, die so rasch gezählt hatten, einzeln zärtlich an seine Lippen. „Ich habe mir übrigens ein Zimmer in diesem Hause genommen. Da scheint es in einem Flügel so eine Art Purgatorium für werdende Väter zu geben. Aber sag einmal, willst du dich mir eigentlich die ganze Zeit über, die ich hier bin, in dieser unbequemen Haltung präsentieren? Ein bißchen anstrengend für dich, nicht wahr? Sei nicht albern, Kind, setz dich ruhig neben mich, es ist nichts an dir, was mich erschrecken könnte!“
    „Sei nicht albern, Kind…“, wiederholte sie, „das könnte meine Großmutter gesagt haben...“
    „Ich soll dir von ihr viele Grüße bestellen! Und sie hat mir auch etwas für dich mitgegeben...“
    „Du hast mit meiner Großmutter gesprochen?!“ rief sie, als traue sie ihren Ohren nicht.
    „Warum denn nicht?“ fragte er harmlos; „eine großartige alte Dame. Sie hat mir mächtig imponiert. Und sie schnupft tatsächlich Brasil. Ich habe es dir nicht recht glauben wollen, als du es mir einmal erzähltest...“
    „Und worüber habt ihr euch unterhalten?“ fragte Jo mißtrauisch.
    „Oh — über alle möglichen Dinge...“
    „Weißt du, daß sie mich vor drei Tagen angerufen hat?“
    „Ja, ich weiß es. Und ich weiß auch, weshalb sie mit dir sprach. Aber ich weiß auch,
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