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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns
Autoren: Horst Biernath
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Halle zu treffen, aber dort empfing ihn Schwester Gertrudis und bestellte ihm, daß Frau Klapfenberg ihn auf ihrem Zimmer — Nummer sechzehn im ersten Stock — erwarte. Sie fragte ihn, ob er schon im Dorf eine Unterkunft gefunden habe, und, als er es verneinte, ob er vielleicht im Ostflügel der Klinik ein Zimmer beziehen wolle. Es seien durchaus komfortabel eingerichtete Gasträume, und sie würden von den Herren Vätern, die hier auf das Resultat ihrer Bemühungen warten wollten, gern genommen. Der Ton von Schwester Gertrudis war verbindlich und sozusagen weltmännisch abgestimmt.
    „Was meinen Sie, Schwester, wie lange ich auf dieses Resultat warten muß?“ fragte er und bat sie, seinen Koffer bis zu seiner endgültigen Entscheidung in der Rezeption abstellen zu dürfen.
    „Meiner Meinung nach fünf oder sechs Tage...“
    „Nun“, sagte er kurzentschlossen, „dann geben Sie mir ein Zimmer in Ihrem Haus. Vorausgesetzt natürlich, daß Sie keine Phantasiepreise nehmen. Ich bin nämlich kein Millionär...“
    „Zehn Mark mit Frühstück und fünfzehn mit voller Pension...“
    „Das klingt christlich“, sagte er, „ich nehme das Zimmer.“ Er hob die Hand und winkte der Schwester zum Abschied zu.
    „Die Treppe hinauf und dann links!“ rief sie ihm nach.
    Die Treppe hinauf und dann links... Er ging an den Zimmern Nummer zehn, elf, zwölf A, vierzehn und fünfzehn flott vorüber und klopfte an der Tür, die die Nummer sechzehn trug, ohne zu zögern an, obwohl er eine kleine Lähmung in den Beinen verspürte.
    „Ja — bitte!“
    Er öffnete die Tür und trat über die Schwelle, als erwarte ihn die Weihnachtsüberraschung. Es war ein sonniges Zimmer mit großen Südfenstern, gar nicht nach Klinik eingerichtet, sondern mit hellen, modernen Möbeln ausgestattet, cretonnebezogenen Sesseln und einem palettenförmigen Tisch aus Rosenholz vor einer breiten, gemütlichen Couch, auf der Jo bei seinem Eintritt saß. Sie hatte die Beine angezogen, stützte sich mit dem Ellenbogen auf das Kopfpolster, und hatte eine schwere, pastellfarbene Seidendecke mit langen Fransen malerisch um ihre Hüften drapiert. Sie bot ihm sozusagen nur ein Brustbild, und obwohl sie alles verhüllt hatte, was sie seinem Anblick entziehen wollte, sah er, daß ihre Augen voller Angst standen, als befürchte sie, er könne sich im nächsten Augenblick umdrehen und das Zimmer fluchtartig verlassen. Er stand eine Weile lang stumm an der Tür, schloß sie behutsam und näherte sich ihr schließlich vorsichtig, auf leisen Sohlen, wie einem Kunstwerk von Weltruhm, das zu betrachten man sich so inbrünstig gewünscht hat, daß man sich ihm mit dem leisen Bangen naht, es werde einen hoffentlich nicht enttäuschen.
    „Wahrhaftig, Jo…“, sagte er beklommen und ein wenig atemlos, „ich glaube, du bist noch hübscher geworden...“
    „Oh, — bitte, Lothar...“, flüsterte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, „ich bin ja so häßlich...“
    „Keinen Kuß?“ fragte er, „kein bißchen Freude, daß ich bei dir bin?“
    „Ach, wenn du wüßtest, wie ich auf dich gewartet habe! — Und wie ich mich vor dir gefürchtet habe...“
    „Gefürchtet? Ich verstehe dich wirklich nicht...’
    Sie rückte ein wenig zur Seite und zog den Schal über ihre Knie. Er setzte sich vorsichtig, als könne er etwas zerbrechen, schmal auf den Rand der Couch und zog sie behutsam an sich heran.
    „Komm schon, mein Herz“, flüsterte er ihr zu, „ich habe mich doch so sehr danach gesehnt, dein Haar zu riechen, und deine Haut, und deine Lippen zu schmecken... Es war ein verdammt langer und kalter Winter...“
    Er küßte sie zärtlich, sie schluchzte ein bißchen und zog ihn mit dem monatelang ungestillten Hunger nach Zärtlichkeiten in die Arme.
    „Immer leicht salzig...“, murmelte er und leckte sich die Lippen
    ab. Eine merkwürdige Gedankenverbindung schien Jo an ihre Hausfrauenpflichten zu erinnern.
    „Hast du überhaupt schon zu Mittag gegessen?“
    „Nein, aber ich habe auch keinen Hunger, ich habe beim Pflanz gefrühstückt, sechs Weißwürste, die er mir selber aus der Küche geholt hat...“ Er begann plötzlich zu lachen.
    „Weshalb lachst du?“ fragte Jo ein wenig verwundert.
    „Ach, der Pflanz hat mir eine komische Geschichte erzählt, die heute nacht in seinem Hotel passiert ist...“, sagte er und kicherte noch in der Erinnerung daran.
    „Eine unanständige Geschichte?“ fragte sie interessiert.
    „Eigentlich nicht einmal... eben
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