Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
Sie das wissen?“
    „Weil ich vor zehn Minuten mit der alten Dame gesprochen habe, die mir genau das gleiche erzählt hat.“
    „Und trotzdem!“ brummte Herr Nirschl, „der Kerl gefällt mir nicht!“
    „Und warum nicht, Herr Oberwachtmeister?“
    „Ich hab was gegen Männer, die sich die Fingernägel polieren und nach Brillantine stinken wie ‘ne Hure...“
    „Das ist natürlich auch ein Standpunkt…“, murmelte Lothar Lockner und verabschiedete sich. Von der Redaktion aus rief er die alte Dame noch einmal an, erzählte ihr kurz, daß ihr Sohn sich mit Herrn van Dorn wegen der Beteiligung an einer Krawattenfabrik unterhalten habe und hörte noch, wie sie murmelte: „Dieser Idiot — gestern redete er von einer Wäschefabrik... Na schön, dann waren es eben Krawatten...“

    *

    Man munkelte in Aldenberg, das zwölfjährige Töchterchen von Frau Eva Pfingstl, der Beschließerin des Hotels „Lamm’, sähe dem Pflanz bedeutend ähnlicher als ihrem vor zehn Jahren an einer Leberschwellung verstorbenen Gatten. Sie war immer noch eine stattliche Person, der das gesamte Hotelpersonal unterstand. An diesem Vormittag hatte sie den Mädchen den Auftrag gegeben, die Korridore frisch zu wachsen und die Hinterstiege gründlich zu waschen, denn die Lieferanten hatten bei dem gestrigen Schneematsch viel Schmutz ins Haus getragen. Die Hinterstiege zu scheuem oblag einem vierzehnjährigen Mädel, das der Pflanz als Lehrmädchen ins Haus genommen hatte. Als Frau Pfingstl sich von dem Fortschritt der Arbeit überzeugen wollte, sah sie den Eimer mit der Seifenlauge auf der Stiege stehen, und die Wurzelbürste schwamm wie ein Schifferl darin. Von dem Mädel war keine Spur zu entdecken. Dafür hörte sie vor dem Hause ein fröhliches Geschrei, und am fröhlichsten schien das pflichtvergessene Fannerl zu sein, das es vorzog, mit ein paar Buben den Hang herunterzurodeln, den der Schneepflug heute morgen an der Hinterfront des Gebäudes aufgeworfen hatte. Aber nicht nur das Rodeln schien dem Mädl so viel Spaß zu machen, sondern auch die Clownerien eines Buben, der eine mächtige schwarze Hornbrille auf der Nase trug und mit diesem Requisit eine Sondervorstellung gab.
    Frau Pfingstl fuhr scharf wie ein Racheengel dazwischen, holte das Fannerl vom Schlitten, verpaßte ihr eine Maulschelle und schickte sie ins Haus und an die Arbeit zurück. Und während sie auch die Buben anfauchte, hier kein Affentheater aufzuführen und sich davonzutrollen, starrte sie plötzlich, von einer vagen Erinnerung durchzuckt, auf die Brille, die der Bub abgenommen hatte und in der Hosentasche verschwinden lassen wollte.
    „He, du!“ rief sie den Jungen an, „wo hast du die Brille her? Komm doch einmal zu mir...“
    Der Bub, der zwölf oder dreizehn Jahre alt sein mochte, wollte zuerst weder heran noch mit der Sprache herausrücken.
    „G’funden hab ich sie halt, die Bruin...“, maulte er schließlich und ließ Frau Pfingstl deutlich erkennen, daß es sie einen feuchten Kehricht anginge, wie diese Brille in seinen Besitz gelangt sei...
    Frau Pfingstl starrte auf den steil abfallenden, vom Rodeln glattgebügelten Hang — und blickte dann empor. Das Dach vom ,Lamm’ lag hoch über ihr. Während die Straßenfront des Hauses nur zwei Stockwerke hoch war, hatte es hier, da der Hang zur Ache ziemlich steil abfiel, mindestens eine Höhe von fünf Stockwerken. Die nach dieser Seite hin geneigten Dächer der Nachbarhäuser trugen rechts und links an den Dachrinnen lange Eiszapfen und auf den Dächern selbst eine dicke Schneelast. Nur am Lamm war die Dachrinne frei, und auch das Blechdach selber schien leergefegt zu sein. Frau Pfingstl sah plötzlich sehr blaß aus...
    „Schleicht euch schon...!“ sagte sie ein wenig erstickt und ging mit der Brille in der Hand, als hätte sie Bleigewichte an den Füßen, ins Haus hinein. Sie zog sich am Geländer hoch und begegnete im Korridor dem Pflanz, der im weißen Schurz gerade die Gesellen in der Wurstküche inspizieren wollte. Er sah sich um, ob niemand in der Nähe sei, fuhr sich mit dem roten Zungenspitzl über die Lippen und hatte fraglos die Absicht, Frau Pfingstl irgendwohin zu kneifen. Aber sie trat ein wenig zurück.
    „Na, Everl, was gibt es denn?“ grinste er, „so streng heut?“
    „Kennen Sie diese Brille, Herr Pflanz?“ fragte sie ein wenig keuchend von der Anstrengung des Treppensteigens.
    Er schaute hin und stutzte...
    „Laß mal schaun.,. a schwarze Hombrilln... dem Klapfenberg Sepp
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher