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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen
Autoren: Julie Kenner
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Foto. Ich wusste doch, dass er mir irgendwie bekannt vorkam. Das lag daran, dass ich ihn ein paar Tage vorher auf dem Foto gesehen hatte.«
    »Tank«, wiederholte Deacon nachdenklich.
    »Kennst du ihn?«
    »Ich habe ihn im Pub gesehen und so einiges über ihn gehört.«
    »Mein erster Eindruck von ihm war nicht unbedingt der beste.«
    »Meiner auch nicht«, stimmte Deacon zu. »Er ist auch kein guter Mensch. Er hat überall seine Finger drin, von Zauberformeln bis zu Drogen. Ein rundum übler Typ.«
    »Ich glaube, er hat Egan in irgendwas Schlimmes mit reingezogen. An Drogen habe ich übrigens zuerst gedacht.«
    »Warum? Was war los?«
    »Ich habe sie streiten hören. Dass Egan ihm was schuldet und dass er ihm die Hölle heiß machen wird, wenn Egan keine bessere Ware liefert.«
    »Um Drogen geht es nicht«, entgegnete Deacon. »Obwohl das auch passen würde. Vielleicht Kräuter.«
    »Kräuter? Wie Oregano und Basilikum?«
    »Schon etwas Spezielleres. Für zeremonielle Zwecke.«
    Ich runzelte die Stirn. »Ich dachte, Egan hätte nichts mit schwarzer Magie zu tun. Ich dachte, darüber hätten er und Alice’ Mom sich gestritten.«
    »Ich glaube, das haben sie auch. Aber ich glaube auch, dass Egan gern sein Fähnchen nach dem Wind hängt, und das Pub ist öfter mal in Geldnot. Er ist sich nicht zu fein, die Dämonentruppe zu beliefern. Er besorgt gewisse Kräuter und verkauft sie seiner Kundschaft unter dem Tresen für rituelle Zwecke.«
    Ich warf ihm einen Blick von der Seite zu. »Hast du auch welche bei ihm gekauft?«
    »Nein. Aber ich halte immer die Ohren offen.«
    »Wieso, denkst du, wollte Alice wohl mit dir über Tank reden?«
    Deacon schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Aber sobald wir uns um Clarence gekümmert haben, statten wir Tank einen Besuch ab und fragen ihn.«
    Ich nickte. Ich fühlte mich, als hätte man mich durch den Reißwolf gedreht. »Die Ärmste!« Ich rieb mir den Nasenrücken und versuchte, mich nicht von der Traurigkeit überwältigen zu lassen. »Sie wollte genau das Gleiche tun wie ich jetzt - sie wollte die Bösen aufhalten und diese blöde Pforte schließen. Und deshalb ist sie gestorben. Sie ist gestorben, damit sie mich erschaffen konnten. Und jetzt steht die Pforte noch immer sperrangelweit offen, und das ist alles meine Schuld.«
    Die Tränen waren wieder da. Deacon schlang seinen Arm um meine Taille, gab mir das Gefühl, in Sicherheit und gewollt zu sein. Ich schmiegte mich an ihn und versuchte, mich dem Horror zu stellen, was aus mir geworden und wie es dazu gekommen war. Und wen man geopfert hatte, damit ich leben konnte.
    »Diese schleimigen, dreckigen, widerlichen Arschlöcher!« Ehrlich gesagt gab es keinen Fluch, der die Abscheulichkeit meiner Peiniger auch nur ansatzweise hätte ausdrücken können. »Sie war doch erst zweiundzwanzig! Sie hatte einen Studienplatz in Harvard bekommen. Wusstest du das?«
    Er schüttelte den Kopf und sah mich hilflos an.
    »Sie hatte ihr ganzes Leben noch vor sich, und sie haben es ihr einfach genommen.«
    »So sind sie eben. Selbst wenn sie nicht töten, sind sie so.«
    »Das werden sie mir büßen! Ich werde herausfinden, wer von denen sie getötet hat, und wer auch immer es war: Er wird mir das gnadenlos büßen.«
    Nachdem wir etwa eine Stunde gelaufen waren, nahmen wir einen Zug der T-Linie und fuhren in eine Gegend von Boston, die ich nicht kannte. Wir stiegen aus und ignorierten die Blicke der Leute, die uns anstarrten, weil wir beide zerrissene und dreckige Klamotten trugen und völlig erschöpft aussahen.
    Wir überquerten ein paar größere Straßen und durchschritten einen Park, in dem Paare spazieren gingen und Jogger ihre Runden drehten.
    Dann kamen wir zu einer Überführung, unter der ein Fußgängerweg hindurchführte. Wir ließen den hellen Tag hinter uns und traten in die Dunkelheit. Über uns donnerten die Autos hinweg. Ich hatte erwartet, dass wir weitergehen würden, aber Deacon blieb mitten unter der Brücke stehen.
    »Hier«, sagte er und deutete mit dem Kopf auf den Beton, der die Straße über uns abstützte.
    Ich konnte keinen Dämon erkennen. »Wo?«
    »Hinter der Einstiegsklappe«, antwortete er und deutete, diesmal mit dem Finger, nach oben. Jetzt sah auch ich es: eine viereckige Metalltür, etwa ein Viertel so groß wie eine normale Tür. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich den Warnhinweis lesen, mit dem allen Unbefugten der Zutritt untersagt wurde.
    »Da drin?«, fragte ich zweifelnd.
    »Das ist ein Raum, in
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