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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen
Autoren: Julie Kenner
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gefährlich. Er sieht dich kommen. Und er hört dich kommen. Du hast doch gesagt, dass er deine Gedanken lesen kann, oder?«
    Ich nickte. Mir wurde richtig schlecht, wenn ich mir vorstellte, dass meine kindischen Versuche, ihn aus meinem Kopf rauszuhalten, vielleicht nicht von so viel Erfolg gekrönt gewesen waren, wie ich geglaubt hatte. Clarence hatte meine Gedanken über Deacon sehen können - das wurde mir jetzt klar. Aber anstatt direkt zum Angriff überzugehen, hatte er meinen Weg mit kleinen Bomben gepflastert. Deacon war ein Dämon. Deacon hatte Alice getötet.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Clarence über die Visionen Bescheid wusste, aber er wusste auf jeden Fall mehr, als er zugab. Und wenn ich jetzt zurückkehrte, mit einem Gehirn wie ein offenes Buch, war ich so gut wie tot.
    »Am Anfang wollte er dich noch nicht töten«, sagte ich. »Warum?«
    »Ich weiß es nicht. Was hat er denn gesagt?«
    »Dass du stark bist.«
    »Das bin ich ja auch.«
    »Aber später hat er dann behauptet, du hättest Alice getötet. Was hatte sich geändert?«
    Ein Schatten huschte über Deacons Gesicht. »Er muss herausgefunden haben, dass ich ihn bekämpfe. Dass ich daran gearbeitet habe, die Pforte zu schließen, und dass ich dich aufgehalten hätte, wenn ich gekonnt hätte.«
    Ich nickte. Das ergab durchaus Sinn. »Er wusste es. Er wusste, was ich für dich empfinde, und hat mich gegen dich ausgespielt.«
    »Deshalb wird er dich auch kommen sehen«, entgegnete Deacon. »Und deshalb musst du ihn töten, nachdem du in seinem Kopf warst.«
    » Oh, töten kann ich ihn. Das ist nicht das Problem.« Ich runzelte die Stirn. »Und du kannst mir vermutlich helfen, ihn nicht in meinen Kopf zu lassen. Ich muss einen Geheimnishüter finden. Einen Alashtijard. Weißt du, wie ich das am besten anstelle?«
    Deacon sah mich ausdruckslos an. »Ist dir klar, wonach du da fragst?«
    Ich nickte.
    »Der Alashtijard sitzt nur da und meditiert. Er tut nichts, außer dass er die Geheimnisse bewahrt, die ihm von anderen Dämonen anvertraut werden. Er ist völlig passiv. Und er verlässt nie seinen Schlupfwinkel.«
    »Ich weiß.«
    »Er tut niemandem weh. Er tötet niemanden. Außer er wird angegriffen. Dann, Lily, wird er sich verteidigen.«
    Ich stand auf und lief wieder auf und ab. Das hatte ich nicht gewusst, und mir zog sich der Magen zusammen. »Ich muss es tun. Wenn ich ihn nicht töte - wenn ich es nicht schaffe, auf die einzige mögliche Art mein Gehirn vor Clarence zu verschließen -, dann sind wir am Ende, bevor wir überhaupt angefangen haben.«
    »Lily …«
    »Nein. Die Liste meiner Sünden ist sowieso schon endlos lang, Deacon. Wenn ich dieses Wesen töte, ja, dann wird sie noch länger. Aber ich muss es tun. Ich muss Johnson umbringen. Ich muss Rose retten. Ich muss herausfinden, wer Alice das angetan hat. Und vor allem muss ich die Pforte schließen. Ich muss alles wiedergutmachen, was ich falsch gemacht habe, Deacon, muss wieder in Ordnung bringen, was ich verbockt habe. Und wenn ich dafür das Werkzeug eines Dämons töten muss, dann, glaub mir, werde ich nicht eine Sekunde zögern.« Ich holte tief Luft. »Ich werde ihn finden. Auch ohne deine Hilfe. Aber mit deiner Hilfe geht es schneller.«
    Er schwieg einen Moment lang, dann sagte er: »Na gut. Gehen wir.«
    »Es reicht, wenn du mir sagst, wo ich ihn finde.«
    »Ich komme mit.« Er sprach es nicht aus, aber ich verstand es auch so: Auch er würde sein Gewissen mit diesem Mord belasten. Wir waren jetzt Partner, auf Gedeih und Verderb.
    »Glaubst du, Alice hat gemerkt, dass die Frau in der Vision nicht sie war?«, fragte ich, als Deacon mich aus dem heruntergekommenen Gebäude herausführte. »Ob sie geahnt hat, dass jemand sich ihren Körper unter den Nagel reißen würde?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht war es das, was ihr Angst gemacht hat.«
    »Sie hatte eine Datei auf ihrem Computer«, sagte ich und spürte, wie mein Schuldgefühl wuchs. »Ein Foto, und dein Name war das Passwort für die Datei. Die Datei selbst heißt >Für Samstag<. Das war der Tag, an dem sie dich versetzt hat.«
    Er runzelte die Stirn. »Wirklich?«
    »Willst du dir das Foto mal ansehen? Vielleicht weißt du ja, wer darauf zu sehen ist. Und was es bedeutet.«
    »Natürlich.«
    Ich versuchte, mich auf den Mann auf dem Foto zu konzentrieren. Die narbige Haut. Diese schweren Augenlider. Irgendwo hatte ich ihn gesehen …
    »Tank.« Endlich war der Groschen gefallen. »Tank ist der Mann auf dem
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