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Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten.

Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten.

Titel: Feuchte Ernte. Zwölf schwule Herbstgeschichten.
Autoren: Tilman Janus
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    Ich hatte noch nie an Horoskope und den ganzen Astrologie-Quatsch geglaubt. An einem Samstagvormittag im Oktober überflog ich in einer Zeitschrift zufällig die Weissagungen für die zwölf Sternzeichen. Es ist mir etwas peinlich, das zu sagen, aber mein Sternbild ist Jungfrau. Mit meinen einunddreißig Jahren und nach etlichen Dates mit Kerlen bin ich nun wirklich alles andere als eine alte Jungfer.
    In dieser Zeitschrift stand also: »Ein Stier wird Ihnen begegnen und Ihr Leben umkrempeln. Wenn zwei Erdezeichen, der genießerische Stier und die analytische Jungfrau, sich verbinden, kann die Jungfrau durch den Stier die Fähigkeit zu körperlichen Genüssen entwickeln, der Stier kann durch die Jungfrau mehr Beweglichkeit erfahren. Dann wird diese Beziehung eine großartige Liebe …«
    Ich musste lachen. Alles Blödsinn und Aberglaube, dachte ich, legte das Heft weg und vergaß die ganze Sache. Ich befand mich nämlich im Baumarkt und musste mich darauf konzentrieren, alles Nötige für meine Handwerkerarbeiten zu Hause zusammenzusuchen. Dass ich am Zeitschriftenregal Halt gemacht hatte, war nicht geplant gewesen.
    Nun suchte ich also die passenden Dübel und Schrauben, den Akkuschrauber, den Hammer und die Nägel aus den Regalen und legte die Sachen in meinen Einkaufswagen. Jetzt brauchte ich noch eine Schlagbohrmaschine. Sie sollte nicht zu groß und teuer sein, denn ich hatte mich bis dahin noch nicht oft als Heimwerker betätigt. Um die Wahrheit zu sagen: Es war das erste Mal, dass ich überhaupt selbst Hand an meine Wohnung legen würde.
    Ich wollte mir eine Bilderwand im Wohnzimmer einrichten. Das hatte ich mal bei einem Kollegen aus dem Büro gesehen, und es hatte mir gefallen. Die ganze Wand sollte dicht an dicht mit kleinen und mittleren und großen Bildern behängt werden. Der Kollege hatte nur Blumenbilder in seiner Wohnung. So was kam für mich natürlich nicht in Frage – wer will schon Blümchensex! Ich würde mir Männer an die Wand hängen, die schönsten und geilsten, die ich finden konnte! Die passten meiner Ansicht nach besser in mein Heim als Blumen.
    Die Bilder hatte ich bereits aus meinen schwulen Hochglanzmagazinen herausgenommen. Dazu hatte ich mir ein paar größere Poster und Massen von geilen Postkarten gekauft. Die Rahmen hatte ich auch besorgt. Ich würde den ganzen Samstagnachmittag brauchen, damit alles so werden sollte, wie ich es mir vorstellte, und ich freute mich schon drauf.
    Vor den Bohrmaschinen fühlte ich mich ziemlich hilflos. Probierexemplare von rund zehn verschiedenen Modellen staken in Halterungen, betriebsbereit. Ich hatte keine Ahnung, was ich kaufen sollte. Die Maschinen wirkten alle ziemlich wuchtig. Ich nahm eine in die Hand. Sie war ganz schön schwer. Als ich mir vorstellte, mit so einem Ding meine Wohnung anzubohren, hatte ich doch etwas Manschetten. Ich sah mich Hilfe suchend um. Aber wenn man mal einen Fachberater braucht, ist natürlich keiner da.
    Ärgerlich suchte ich in den Gängen des riesigen Baumarktes nach einem Verkäufer. Endlich sah ich einen. Ich erkannte ihn an seinem roten Kittel, auf den das Logo des Baumarktes genäht war. Daneben prangte ein Schild mit seinem Namen: Sven Meier. Er räumte gerade Klosettbrillen in die Regale ein. Er sah groß und kräftig aus, ein richtiger Handwerkertyp. Seine kurzen Haare waren blondiert, die Augenbrauen dunkel. Na, mal sehen, ob Herr Meier Ahnung hatte!
    »Hallo!«, sagte ich zu Herrn Meier. »Ich brauche bitte mal Hilfe bei den Schlagbohrmaschinen!«
    Er sah mich an, als ob ich ihn gefragt hätte, wie man den Mond am Himmel festnagelt. »Hilfe?«, echote er. »Was woll’n Sie denn da wissen?«
    Ich seufzte. »Es gibt so viele, und ich weiß nicht, welche ich nehmen soll.«
    Er hob die Schultern vor lauter Überlegenheit. Seine Bizepse spannten die Kittelärmel. Er war außerdem größer als ich. Obwohl ich nicht schlecht aussehe, bin ich kein großartiger Muskelprotz, eben eher ein Büromensch, wie man so schön sagt. Dafür sind meine blonden Haare echt.
    »Na ja, das ist ’ne Preisfrage«, erklärte Herr Meier wichtigtuerisch. »Wie viel woll’n Sie denn ausgeben?«
    »Also, so wahnsinnig teuer sollte sie nicht sein.«
    Er nickte zufrieden, so, als ob er sich schon die ganze Zeit gedacht hatte, dass ich ein williges Opfer seiner Verkaufskünste werden würde. Er lief mit federnden Schritten vor mir her zu den Bohrmaschinen und zog eines der teuersten Modelle von einer Markenfirma aus der
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