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0216a - Fahrgast im Höllen-Express

0216a - Fahrgast im Höllen-Express

Titel: 0216a - Fahrgast im Höllen-Express
Autoren: Fahrgast im Höllen-Express
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Wir drückten uns in den Schatten der Freitreppe. Auf dem Gehsteig hörten wir Schritte, nicht sehr laut, aber sicher die Schritte eines Mannes. Das Gesicht meines Freundes Phil wirkte wie ein Schattenriss neben mir, obgleich es so nahe war, dass ich seinen Atem spürte.
    Die Treppe führte von der Mitte des breiten Gehsteigs hinauf zu den hochgelegenen Häusern. Ein Haus war wie das andere, die Häuserblocks erinnerten an Kasernen.
    In regelmäßigen Abständen schnitten Querstraßen durch die schier endlose Häuserzeile. Wie trübe Lichtpunkte in einem undurchdringlichen Meer von Finsternis nahmen sich die weit auseinanderstehenden Laternen aus.
    Die Schritte waren so nahe, dass der Mann jeden Augenblick auftauchen musste. Zuerst würde sein Kopf jenseits der Stufen sichtbar werden, dann würde sich sein Oberkörper ins Blickfeld schieben, und schließlich musste die ganze Gestalt an jenem Punkt angekommen sein, wo für uns die Gefahr der Entdeckung am größten war, Wenn er dort den Kopf drehte und zufällig zur Hauswand blickte, musste er unsere Füße bemerken. Unwillkürlich hielten wir den Atem an.
    Es schien ein älterer Mann zu sein. An seinem linken Arm hing ein Krückstock, der nicht benutzt wurde. Ohne den nach vorn geneigten Kopf zu drehen, schlürfte der Mann langsam an uns vorbei.
    Phil hob geräuschlos den linken Arm und brachte das Handgelenk so nahe vor unsere Gesichter, dass wir die Zeit auf seiner Leuchtzifferuhr ablesen konnten: zwanzig Minuten nach sieben.
    Ein paar Minuten vergingen, ohne dass sich etwas ereignete. Phil und ich starrten auf den Gehsteig und warteten. Endlich vernahmen wir wieder Schritte. Und ich wusste plötzlich: Das waren die Schritte des Mannes, auf den wir warteten.
    Die Sekunden verstrichen quäkend langsam. Dann endlich tauchte der unverwechselbare Kopf von Ray Smartick zwischen dem Treppengeländer auf. Genau an dem Punkt, wo er uns sehen musste, blieb er stehen, zog eine Zigarre aus der Brusttasche seines zerschlissenen Jacketts und trat zwei Schritte auf uns zu, als suche er Windschatten für sein Streichholz.
    Umständlich machte er sich daran, die Zigarre anzuzünden. Dabei kaute er halblaut zwischen den Zähnen hervor: »Mac ist nicht drin. Aber Bullen-Jack steht an der Theke, und der weiß bestimmt, wo Mac ist.«
    »Wie sieht Bullen-Jack aus?«, fragte ich leise.
    »Genauso, wie man sich einen Mann mit diesem Spitznamen vorstellt: sechseinhalb Fuß groß, Zweizentnermann, breit wie’n Kleiderschrank. Seid vorsichtig, wenn ihr ihn ansprecht. Nach dem achten Schnaps wird er streitsüchtig.«
    Smartick setzte sich wieder in Bewegung, ohne eine Antwort abzuwarten. Er gehörte zu unseren geheimen Verbindungsleuten in dieser Gegend und lieferte von Zeit zu Zeit Hinweise.
    ***
    Wir warteten, bis er weit genug entfernt war, dann verließen wir unseren Posten und gingen auf die Kneipe zu, die sechzig Yards weiter unten auf der anderen Straßenseite lag.
    Er paar Pärchen steckten die Köpfe zusammen und interessierten sich ausschließlich für sich selbst. Zwei grell geschminkte Frauen blätterten gelangweilt in zerfledderten Illustrierten. Am Ende der Theke stand der Mann, der Bullen-Jack sein musste. Man brauchte kein Sherlock Holmes zu sein, um ihn zu erkennen. Wir stellten uns in kurzer Entfernung neben ihn an die Theke.
    Eine ältere mürrische Frau versah den Dienst eines Barkeepers. Wir ließen uns zwei Büchsen Bier geben, stecken uns Zigaretten an und tranken langsam das Bier aus, ohne den würfelnden Männern am Ende der Theke viel Aufmerksamkeit zu widmen.
    Phil zog unauffällig die Dienstmarke und verbarg sie in der hohlen Hand. Mit der anderen tippte er Bullen-Jack auf die Schulter. Der schwergewichtige Mann drehte sich nur halb um. Phil klappte die Hand auf und hob sie ein wenig.
    »FBI!«, sagte er leise. »Wir möchten mit Ihnen sprechen. Am besten kommen Sie einen Augenblick mit auf die Straße. Es dauert höchstens ein paar Minuten.«
    Bullen-Jack hatte ein wohlgenährtes Gesicht, zu dem nur das ausgeprägte, kantige Kinn nicht so recht passen wollte. Seine glänzenden, blonden Augenbrauen zogen sich ein wenig zusammen, als er das blau-goldene Metallstück in Phils Hand erkannte.
    »Mich?«, fragte er verdutzt. »Aber ich, na ja, also meinetwegen. Gehen Sie vor. In spätestens fünf Minuten bin ich draußen.«
    »Aber nicht vergessen!«, mahnte ich, freundlich lächelnd, aber mit einem gewissen Unterton. Er schüttelte nur den Kopf und wandte sich wieder
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