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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen
Autoren: Julie Kenner
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außerordentlich Schönes zu erblicken. »Das existiert alles nur in der Vorstellung der Sterbenden. Dieses Bild haben sie dir gezeigt, weil sie wussten, dass du es brauchtest.«
    »Um ihnen zu glauben.«
    Er nickte. »Ich habe mich mit einem Engel getroffen. Ich habe ihm erzählt, dass ich helfen will. Dass ich auf der Suche nach dem Licht bin. Man wies mich zurück.« Plötzlich klang seine Stimme tief und gefährlich. »Vielleicht hat das Wesen nicht geglaubt, dass ein Tri-Jal Reue empfinden kann. Vielleicht hat es gedacht, ich sei ein Spion. Vielleicht hat es auch bezweifelt, dass es genügend Licht gibt, um das Dunkel in mir auszurotten. Egal aus welchem Grund, jedenfalls hat man mich kräftig ausgebremst.«
    »Deacon«, flüsterte ich. »Du hast trotzdem nicht aufgegeben. Sie werden es schon noch kapieren! Letztendlich werden sie es kapieren.«
    Seine Augen funkelten zornig. »Das, was ich tue, tue ich nicht mehr, um Einlass zum Licht zu finden. Ich tue es für mich, ausschließlich für mich. Und richtig, aufgegeben habe ich nicht. Ich habe nachgefragt und geforscht und meine Artgenossen getötet, um herauszufinden, was ich wissen musste.«
    »Und so hast du von Maecruth und Pater Carlton erfahren.«
    »Genau. Den Rest kennst du.«
    »Ja.« Ich streckte ihm die Hand entgegen. »Komm her.« Als er nicht reagierte, stand ich auf und ging zu ihm. Er drehte sich nicht um, hielt den Blick auf das Fenster gerichtet. Ich legte ihm die Hände auf die Schultern und schmiegte mich an ihn. Gern hätte ich ihm ein wenig von seinem Schmerz abgenommen. »Es ist doch sowieso besser, es allein zu machen. Letztendlich kann man nur sich selbst wirklich vertrauen. Das weiß ich jetzt.«
    Unsere Blicke trafen sich im Spiegel des Fensters. »Kein Glaube, Lily? Kein blindes Vertrauen?«
    »Nur in mich selbst.« Ich sah seinen fragenden Blick und schüttelte den Kopf. »Nicht mal in dich - noch nicht. Tut mir leid .« Es tat mir wirklich leid, aber ganz traute ich ihm nicht über den Weg. Nicht nach allem, was mir passiert war.
    Er wirkte nicht verletzt, sondern verständnisvoll, und das tat richtig weh.
    Ich wandte mich ab und begann, in dem kleinen Zimmer auf und ab zu laufen. Mir drehte sich der Kopf. »Als ich trainiert habe, habe ich echte Dämonen getötet. Die haben mich ihre eigenen Artgenossen abschlachten lassen, damit es ja echt wirkte.«
    »Nicht nur, damit es echt wirkte«, entgegnete er und drehte sich zu mir um. »Auch für dich. Du nimmst doch ihre Substanz in dich auf, nicht wahr? Das heißt, sie haben versucht, dich nach ihrem Vorbild zu formen. Dich ihnen anzupassen. Sie haben dich verarscht, Lily.« Seine Augen hatten eine tiefdunkle Farbe angenommen. Ich verkrampfte mich, weil ich fürchtete, die Wut, die ich in der Kirche gesehen hatte, würde zurückkehren.
    Aber er hielt sie im Zaum, spürbar war nur seine Wärme.
    »Sogar der Grykon war echt. Der hätte sich niemals auf die Seite der Guten geschlagen und deshalb von ihnen aus dem Weg geräumt werden müssen.«
    »Ich vermute, der Grykon hat sich freiwillig geopfert. Er hat doch etwas in die Richtung gesagt, als du gefesselt warst, nicht wahr?«
    »Stimmt.« Ich erinnerte mich an jenen ersten Moment, als ich wach geworden war und das Monster entdeckt hatte. Ich rieb mir die Schläfen. »Ich war nie wirklich in Gefahr! Es war immer vorgesehen, dass ich gewinne.« Ich lächelte ein wenig. »Allerdings war nicht vorgesehen, dass ich ihn endgültig ins Jenseits befördere. Ich sollte ihn nur töten, aber du hast ihm dein Messer ins Herz gerammt und ihn erledigt. Clarence war ganz schön sauer.«
    »Wenigstens etwas.«
    »Und das Mädchen in dem Käfig … der Tri-Jal. War der echt?«
    »Ich vermute, ja, schließlich hatte sie das Mal. Allerdings bezweifle ich, dass sie sich freiwillig geopfert hat. Wahrscheinlich hat man sie eher als Kollateralschaden betrachtet.«
    Ich schauderte. Das Mädchen war in gleichem Maße furchteinflößend und bedauernswert gewesen, aber die Vorstellung, dass man sie als Teil eines groß angelegten Schwindels geopfert hatte, war geradezu obszön.
    »Mit Maecruth haben sie mich noch weit mehr verarscht. Sie haben mich einen Dämon töten lassen, der für die gute Seite gearbeitet hat.« Mir fiel wieder die Vision ein, und ich schlang die Arme um mich. »Mein Gott, Deacon! Ich habe gesehen, wie er mit Clarence gekämpft hat, und bin auf ihn losgegangen. Gnadenlos.« Unsere Blicke trafen sich. »Dieses Schwein wäre längst tot -
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