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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
Autoren: Barbara Erskine
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Klinge des Schwertes, aus der Scheide gezogen, schimmerte schwach im Sonnenlicht. Er hörte ihr lustvolles Stöhnen, sah die rötlichen Spuren ihrer Nägel auf seinen Schultern. Unter ihm hatte sie sich nie so gewunden, nie einen Laut von sich gegeben, nie in Ekstase seine Haut zerkratzt. Unter ihm lag diese Frau, die er anbetete und verehrte, reglos da; unterwürfig, gehorsam, mit offenen Augen, die Decke anstarrend, auf den Lippen die Andeutung eines höhnischen Lächelns.
    Er schluckte seine Bitterkeit hinunter und zugehe seine Wut, sah still zu, wartete auf den Höhepunkt ihrer Leidenschaft. Sein Schwert hing an seiner Hüfte, doch er griff nicht danach. Der Tod im Augenblick der Erfüllung würde sie gemeinsam zu den Göttern schicken. Doch das wäre zu einfach, ginge zu schnell. Während er sie so beobachtete, spürte er, wie die letzten Reste seiner Liebe zu abgrundtiefem Haß geronnen. Die Strafe, die er seiner Frau auferlegen würde, würde bis ans Ende ihrer Tage währen; für ihren Liebhaber aber würde er sich einen Tod ausdenken, der sogar seine rasende Wut befriedigen konnte. Er würde warten, bis der richtige Moment gekommen war. Mit einem Lächeln würde er sie an seinem Herd und in seinem Bett willkommen heißen. Seinen Haß würde er verbergen, und ebenso seinen Zorn.
    Trübes Sonnenlicht füllte Rogers Arbeitszimmer. Es schien aus dem düsteren Garten herein und warf ein fahles Zwielicht an die niedrige Decke mit den schweren Eichenbalken. Greg ließ sich in den Sessel seines Vaters fallen und starrte mißmutig um sich. Hier würde er nicht malen können. Irgendwie mußte er Lady Muck aus dem Cottage kriegen œ seinem Cottage -, damit er wieder dorthin zurück konnte. Sie durfte nicht bleiben.
    In dem kleinen Zimmer stapelten sich Bilder und Zeichenblöcke. Seine Staffelei stand zwischen Schreibtisch und Fenster. Der Tisch war beladen mit Kästen voller Farben und mit Bleistiften sowie mit einem allgemeinen Durcheinander, das er aus dem Cottage mitgebracht hatte. Ein neuer Geruch aus Leinöl und Spiritus lag über dem natürlichen Aroma des Zimmers aus alten Büchern, Dianas krümeligen Duftblättern und Möbelpolitur aus Lavendel. Nachdenklich stand er auf. Er ging einen Stapel Leinwände durch und stellte eine auf die Staffelei. Dann setzte er sich wieder und starrte sie an.
    Das Porträt beschäftigte ihn. Es war eines aus einer Serie, die in den letzten zwei oder drei Jahren entstanden war. Alle von derselben Frau, immer traurig, geheimnisvoll; weniger ein Wachrufen von Gesichtszügen, mehr das einer Stimmung; eher von innerer als von ausgedrückter Schönheit. Das hier war eines der größten Bilder œ drei auf vier Fuß -, die er seit langem in Angriff genommen hatte, und es hatte ihm große Probleme bereitet.
    Er saß mehrere Minuten lang nur so da und kaute am Knöchel seines linken Daumens, bevor er sich nach Pinsel und Palette umsah. Die Farben stimmten nicht. Das Gesicht war zu verschwommen, zu unscharf. Der Teint mußte klarer sein, ihre Lebhaftigkeit ausgeprägter. Er trat dicht vor die Leinwand, beugte sich nach vorn und stach mit dem Pinsel nach ihr. Er hatte sie zu schön gemacht, dieses Biest, zu verführerisch. Es hätte sie lieber so darstellen sollen, wie sie war: eine Hure, eine Verräterin, eine läufige Hündin.
    Seine Zunge lugte aus seinem Mundwinkel hervor, er arbeitete voller Wut an dem Gemälde, deutete das Gesicht an, schattierte die Wangenpartien neu, skizzierte Lippen und Augen, malte den Haaransatz. Mit jedem Pinselstrich wuchs sein Zorn.
    Es dauerte lange, bevor er den Pinsel fortwarf, die Hände gedankenlos an seinem alten, abgetragenen Pullover abreibend. Er trat zurück und starrte aus verengten Augen auf seine Arbeit. Ihm wurde klar, daß sich das Licht, und mit ihm ihr Gesicht, immer wieder veränderte, je tiefer die Sonne stand, die sich erst über die Flußmündung und dann über den düsteren Winterwald ergoß. Er warf einen wütenden Blick auf die Palette, die auf den Schreibtisch seines Vaters geglitten war, und bemerkte, daß der Zorn ebenso schnell wieder von ihm wich, wie er über ihn gekommen war. Es war nicht das erste Mal, daß er sich fragte, woher dieser Zorn kam.

VI
    Kate hatte die Landstraße verlassen und rumpelte mit Bill einen Waldweg entlang. Der Himmel vor ihnen, von zerfetzten, vom Wind gejagten Wolken durchzogen, hatte jenes seltsam intensive Licht, das von der Nähe des Meeres kündet.
    »Hoffentlich ist es nicht mehr allzu weit«, sagte
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