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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
Autoren: Barbara Erskine
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Marmalade Jones mit Namen, vom Schoß seines Herrchens herunter und auf die Anrichte sprang, wo er sich daran machte, die Portion Butter aufzulecken, die Patrick unvorsichtigerweise aus dem Kühlschrank geholt hatte.
    Die sich öffnende Tür weckte Roger, schreckte Patrick aus seinen Gedanken auf und bescherte dem Kater einen Anfall von schlechtem Gewissen.
    »Mein lieber Mann, ist das kalt draußen.« Diana ging direkt zu der schweren Eisenpfanne, die leise auf dem Herd simmerte, und warf einen Blick hinein, bevor sie den Mantel auszog.
    »Bill hat angerufen.« Roger streckte sich und langte nach der Zeitung, die aus seinen reglosen Fingern gerutscht war, als er schlief. Ungehalten über die Bewegung glitt Kater Nummer Eins, Serendipity Smith genannt, von seinen Knien, tauchte durch den offenen Balkengang, der Küche und Wohnzimmer trennte, ließ sich auf dem Teppich vor dem Kamin nieder und starrte geheimnisvoll in die Glut. »Bis um drei müßten sie hier sein. Offenbar ist sie ein ganz toller Käfer!« Er grinste seinen ältesten Sohn an und zwinkerte vielsagend. »Du könntest es mal mit Charme versuchen, Greg, nur dieses eine Mal. Ich kann mir nicht vorstellen, daß du als Sohn deiner Mutter nichts davon abbekommen hast.«
    »Ach du.« Diana gab ihrem Mann einen neckischen Klaps auf den Kopf.
    Greg ignorierte beide. Eingeschlossen in eine ernste, angespannte Welt aus enttäuschten Phantasien bemerkte er das zärtliche Geplänkel seiner Eltern oft gar nicht. Er ging zum Kamin, bückte sich und legte ein Holzscheit auf. »Die Hälfte von der alten Düne hinter dem Cottage ist weg«, rief er ihnen zu. »Wißt ihr, die, die es vor dem Nordostwind schützt. Noch ein paarmal so eine Flut wie letzte Woche, und wir müssen Angst haben, daß das Cottage weggespült wird.«
    »Unsinn.« Diana hatte ihren Mantel aufgehängt und band sich nun eine riesige Schürze vor die Hose. Auf der Schürze prangte ein gigantischer roter Londoner Bus, und es sah aus, als führe er über das rundliche Land ihres Bauchs. Sie schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht. Dieses Cottage steht da schon seit Hunderten von Jahren.«
    »Und vor langer Zeit war es Meilen vom Meer entfernt, Liebling.« Roger stand auf. Er war schrecklich dünn, und sein Gesicht war vor Erschöpfung ausgezehrt, ein Symptom der Krankheit, die ihn gezwungen hatte, sich vorzeitig pensionieren zu lassen. »Komm schon. Wie war‘s, wenn ich eine Flasche Wein aufmache.
    Dieser Eintopf, den du da kochst, riecht so gut, daß ich ihn glatt essen würde.« Er lächelte, und seine Frau, die mit ihrem Kochlöffel auf dem Weg zurück zum Herd war, blieb kurz stehen und umarmte ihn schnell.
    »Zeig Dad die Scherbe, die du in der Düne gefunden hast, Allie«, rief Greg aus dem anderen Zimmer. Seine Schwester hatte sich an den Tisch gesetzt, ohne den Anorak auszuziehen, und die Ellbogen zwischen Messer und Gabel aufgestützt, die Patrick mit geometrischer Genauigkeit angeordnet hatte. Sie faßte in ihre Tasche und holte sie heraus.
    Roger nahm sie und wendete sie interessiert hin und her. »Das ist ungewöhnlich. Alt, würde ich sagen. Schau dir die Farbe der Glasur an, Greg.« Er hielt sie seinem Sohn hin. Widerwillig ging Greg vom Feuer weg. Er nahm die Scherbe und betrachtete sie erneut. »Du könntest sie irgendwann mal ins Museum bringen, Spatz«, sagte er zu Alison. »Mal sehen, was die sagen.«
    »Vielleicht.« Alison stand auf, und alle waren überrascht zu sehen, daß ihre Augen vor Aufregung leuchteten. Gewöhnlich trug sie einen sorgfältig einstudierten Lebensüberdruß zur Schau, der ihr aber jetzt für einen Moment abhanden gekommen war. »Wißt ihr, was ich glaube? Ich glaube, die ist römisch. Genau sowas gibt‘s auch im Museum in der Burg.«
    »Ach, Allie, Schatz. Das kann nicht sein. Nicht hier draußen.« Diana hatte vier Gläser aus dem Schrank geholt. Sie gab ihrem Mann den Korkenzieher. »Die Römer sind nie so weit aus Colchester rausgekommen.«
    »Doch, sind sie. Sie haben eine Menge römisches Zeug auf Kindlings Farm gefunden«, warf Roger ein. Er entfernte die Folie vom Hals der Weinflasche. »Wißt ihr das nicht mehr? Sie haben doch da die Überreste einer Villa freigelegt. Irgendein reicher römischer Knabe aus Colchester hat sich da zur Ruhe gesetzt. Da war so eine Inschrift.« Alison nickte. »Marcus Severus Secundus«, sagte sie und betonte dabei jedes einzelne Wort.
    »Richtig.« Roger nickte. »In der Lokalzeitung stand ein Artikel über ihn. Und sie
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