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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
Autoren: Barbara Erskine
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sie und verlangsamte das Tempo auf Schrittgeschwindigkeit, als das kleine Gefährt wieder einmal in eine tiefe Furche sackte. Sie kurbelte das Fenster herunter und atmete die eiskalte Luft tief ein, die den scharfen, harzigen Geruch von Kiefern und Erde und verfaulenden Blättern hatte.
    »Ich fürchte, es wird noch schlimmer.« Bill machte eine Grimasse. »Du wirst dein Auto beim Farmhaus lassen müssen. Roger und Greg können deine Sachen dann mit ihrem Land Rover zum Cottage bringen.«
    Der Weg gabelte sich. Vor ihnen hingen an einem grob gezimmerten hölzernen Galgen zwei oder drei Feuerbesen œ zerbrochen und zerfetzt. Sie hielt an. »Wie weiter?«
    »Rechts. Zu mir geht‘s da links rauf œ ungefähr eine halbe Meile. Das Farmhaus ist dort unten.« Er deutete durch die Windschutzscheibe, und sie ließ vorsichtig die Kupplung kommen. Der Weg lief jetzt steil nach unten, und der Wagen prallte wieder gegen die Furchen. Der Wald wurde dichter. Zwischen alten, stämmigen Eichen, mit Efeu und getrocknetem Hexenzwirn berankten Haselnußstauden und einem Dickicht aus schwarzen, undurchdringlichen Dornen wuchsen Kiefern.
    Das Farmhaus stand am Rande des Waldes mit Blick gen Osten, über den Salzsumpf. Dahinter bildeten ein Feld und ein Obstgarten einen dünnen Streifen, der es dem gelegentlich durchbrechenden Sonnenlicht gestattete, die Landschaft zu erhellen. Das sich daran anschließende Waldstück trennte die Gärten des Farmhauses vom Meer. Vom Cottage allerdings war nichts zu sehen.
    Sie stoppte den Wagen vor einer Scheune aus schwarzen Brettern, blieb einen Moment lang sitzen und starrte hinaus. Das Farmhaus war rosa getüncht, ein langgezogenes, niedriges Gebäude, überzogen mit blattlosen Kletterpflanzen, im Sommer wahrscheinlich Klematis und Rosen. Aber selbst im tiefsten Winter sah alles noch schön aus.
    »Was für ein herrlicher Ort.«
    »Nicht zu verwildert für dich?« Bill schaute am Farmhaus vorbei auf das Watt. Soweit das Auge reichte, gab es nichts als Schlamm, Wasser und graugrünen Sumpf. Hinter ihrem Rücken kam ein verirrter Sonnenstrahl hervor und warf einen Sonnenpfad über den Schlamm bis hin zum Wasser. Die satte Farbe verharrte für einen Moment, dann war sie verschwunden.
    Bill öffnete die Autotür und ließ die schneidende, reine Luft eindringen. »Los, komm. Es wird bald dunkel. Wir sollten zusehen, daß wir dich unterbringen.«
    Kate begutachtete ihre Vermieter, als sie ihnen die Hände schüttelte. Roger und Diana Lindsey, schätzte sie, waren beide in den Fünfzigern. Angenehm, ruhig, einladend. Ihre Wärme nahm sie sofort für sie ein.
    »Ich dachte, Sie würden vielleicht gern mit uns Tee trinken, bevor Sie hoch zum Cottage gehen«, sagte Diana sofort und geleitete sie zum Sofa. »Machen Sie es sich bequem œ scheuchen Sie die Katzen weg. Ich hole inzwischen meinen Sohn. Er wird Ihre Sachen für Sie hinbringen. Mit Gepäck ist es zu Fuß doch recht weit.«
    »Und sie hat einen Berg davon«, meinte Bill. Er stand mit dem Rücken zum Feuer, die Hände nach hinten zu den glimmenden Scheiten gestreckt. »Computer und alles mögliche.«
    »Meine Güte!« Diana legte die Stirn in Falten. »Dann brauchen Sie bestimmt Hilfe.«
    »Wo ist das Cottage?« Kate genoß die angenehm einschläfernde Wirkung des Tees und des warmen Feuers, aber sie war auch voller gespannter Erwartung.
    »Es liegt etwa einen Kilometer von hier. Durch den Wald. Dort draußen sind Sie direkt am Rand des Meeres. Ich hoffe, Sie haben genug warme Kleidung mitgebracht.« Besorgt füllte Diana Kates Tasse auf und schob sich dabei zwischen Kate und die Tür zur Treppe, auf der sie eine Bewegung ausgemacht hatte. Die Kinder spionierten. Sie seufzte. Diese Kinder. Sie meinte damit aber nur Alison und Greg. Patrick war jetzt sicher schon oben bei seinen Computern und würde nicht mehr auftauchen, bevor man ihn zum Abendessen rief. Es waren ihr Ältester œ ein erwachsener Mann, alt genug, es besser zu wissen œ und ihre Tochter, die, wenn sie sich nicht vollkommen in ihnen täuschte, irgendwann Ärger machen würden.
    Sie blickte über ihre Schulter zu Roger. »Ruf Greg. Ich will, daß er Miss Kennedy hilft -«
    »Nennen Sie mich doch bitte Kate.«
    »Kate.« Sie schenkte Kate ein kurzes Lächeln. »Er könnte schon mal ihre Sachen in den Land Rover packen.«
    »Ich will Ihnen aber nicht lästig sein.«
    »Das sind Sie ganz und gar nicht.« Bildete Kate sich das ein, oder war da eine gewisse grimmige Entschlossenheit in der
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