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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
Autoren: Barbara Erskine
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gesteckt war, hockte im Windschatten einer der Dünen aus Kies und Sand, die zwischen dem Cottage und dem Meer lagen. Sie blickte auf, als ihr Bruder erschien, und hob ihm die Hand entgegen, während ihr der Wind einige Haarsträhnen in die Augen blies.
    »Was hast du da gefunden?« Er sprang den sandigen Abhang hinunter und stand neben ihr. Ohne den Wind war es plötzlich sehr ruhig, fast warm in dem in die Falle gelockten Sonnenlicht.
    »Schau. Das Meer hat ein Stück Land weggespült. Es muß bei der Flut passiert sein.« Ihre Finger waren dreckverkrustet. Und sie hatte sich einen Nagel eingerissen. Ein kleiner Streifen Blut vermischte sich mit den goldroten Körnern, die an ihrer Haut kleben geblieben waren, als sie mit den Fingern in der Düne gegraben hatte. »Siehst du. Es ist irgendeine Töpferarbeit.«
    Er nahm es, neugierig. Es war aus geschlämmtem Ton, rot. Die Glasur glänzte, die Verzierung hob sich etwas ab, vom Sand kaum zerkratzt.
    »Hübsch. Das hat sicher jemand aus dem Cottage weggeworfen. Los, Allie. Ma brodelt schon. Sie will uns alle abfüttern, bevor sie nach Ipswich fährt oder wo sie sonst hin will, und ich will hier weg, bevor Lady Muck auftaucht.«
    Alison nahm die Keramikscherbe und stopfte sie in ihre Anoraktasche. Sie sah zu ihm auf. »Warum nennst du sie so? Weißt du, daß sie berühmt ist? Sie hat ein Buch geschrieben.«
    »Genau.« Er lächelte grimmig. »Und bestimmt denkt sie, sie ist was Besseres als wir Bauerntölpel.« Er lachte kurz auf, als er den Abhang hochkletterte, sich umdrehte und seiner Schwester die Hand gab, um sie mit viel Kraft aus der Sandgrube zu ziehen. »Na, sie wird bald merken, daß das Leben auf dem Land um diese Jahreszeit nicht dasselbe ist, wie im Sommer hin und wieder mal zu einem Picknick zu stolzieren. Dann verschwindet sie vielleicht wieder.«
    »Damit du das Cottage wieder haben kannst?« Alison musterte ihn scharf, die grünen Augen sehr ernst.
    »Damit ich das Cottage wieder haben kann.« Er sah sie nachdenklich an. »Sag Ma nichts davon, Allie, aber denkst du nicht auch, daß du und ich einen Weg finden werden, Lady Muck aus Redall Cottage zu vertreiben?« Er lächelte. »Vielleicht können wir dem Wetter ein bißchen unter die Arme greifen. Ihr irgendwie Angst einjagen.«
    »Verlaß dich drauf.« Sie lachte. Dann runzelte sie die Stirn. »Aber brauchen wir nicht das Geld?«
    »Geld!« Greg schnaubte. »Denkt hier keiner an was anderes? Mein Gott, es gibt wirklich noch mehr auf der Welt. Wir verhungern schon nicht. Dads Abfindung und seine Pension sind mehr als genug für die nächsten Jahre. Wir haben Geld für Benzin, Strom und Essen. Sie haben sogar noch was übrig für Schnaps. Mit meinem Stempelgeld bezahle ich Farbe und Leinwand. Was wollen denn alle nur mit diesem Geld?«
    Alison zuckte pflichtschuldig die Achseln. Sie wußte, daß es keinen Sinn hatte, mit ihrem Bruder zu diskutieren. Außerdem hatte er wahrscheinlich recht. Sie unterdrückte den leisen Verdacht, daß seine Ansichten etwas zu einfach und furchtbar unreif waren œ immerhin war er zwölf Jahre älter als sie œ und strich sich, als sie den Land Rover erreichten, zum tausendsten Mal das feine Haar aus dem Gesicht, machte die Tür auf und zog sich hinauf auf den Vordersitz neben ihre Mutter.
    Im Farmhaus hatte Patrick, der dritte Sprößling der Lindseys, zum Mittagessen den Tisch gedeckt. Er war dabei auf Socken durch die Küche gegangen, während sein Vater im Korbstuhl vor dem Herd döste, zwei schlafende Katzen auf dem Schoß. Die Stille im Zimmer wurde nur durch das Ticken der Standuhr in der Ecke und das leise Blubbern in der schweren Pfanne auf dem Herd unterbrochen. Die Luft war erfüllt vom Duft des Hähnchens, das in einer dicken Kräutersauce kochte.
    Patrick, zwei Jahre älter als Alison, war der Studiosus der Familie. Oben in seinem Schlafzimmer œ dem Zimmer über der Küche, das nach Norden hinausging und wegen seiner Größe nach Alisons Meinung das beste Zimmer im Haus war œ konkurrierten ein Computer, ein Drucker, Rechenmaschinen und Hunderte von Büchern um den knappen Raum. Manchmal flossen sie von Tischen und Stühlen bis auf den Boden und von Zeit zu Zeit sogar hinaus auf den Korridor bis vor das Zimmer seiner Schwester.
    Patrick war in Gedanken, noch immer ganz mit seinem Referat beschäftigt. Er hörte weder das Motorengeräusch, als sein Bruder draußen vorfuhr und den Land Rover neben dem Haus parkte, noch fiel ihm auf, daß der Kater Nummer Zwei,
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