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Erschiess die Apfelsine

Erschiess die Apfelsine

Titel: Erschiess die Apfelsine
Autoren: Mikael Niemi
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ans Küchenfenster und kletterte hoch. Versuchte blinzelnd durch das reflektierende Glas zu schauen. Da stand der Küchentisch, an dem ich Pålles Mittagessen gegessen hatte, da war der Kühlschrank, da der Spültisch. Aber keine Spur von der Familie.
    Das nächste Fenster gehörte zum Wohnzimmer. Dunkle Ledermöbel, schwere braune Bücherregale und ein struppiger, dunkler, zottiger Teppich.
    Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass das gar kein Teppich war.
    Das war der Hund.
    Er lag merkwürdig verdreht da. Die Beine in unnatürlichem Winkel abgespreizt. Der war auf keinen Fall am Leben.
    Mit einem eisigen Gefühl im Bauch schob ich die Leiter zum nächsten Fenster.
    Das war das Schlafzimmer. Zuerst begriff ich nicht, was dort lag. Es war, als wäre das Bild kaputt gegangen, wie ein zerstörtes Puzzle auseinandergefallen.
    Doch dann sah ich es.
    Alles.

 
    Artikel in der Länstidningen
     
    Am Donnerstagabend sind in einer Doppelhaushälfte im Bläklockegränd ein Mann und eine Frau tot aufgefunden worden. Das Ehepaar war Besitzer des Hauses und wird von den Nachbarn als ruhig und zurückgezogen beschrieben. Im Haus wurde außerdem der tote Hund des Ehepaars gefunden. Das Gelände ist abgesperrt, bis die kriminaltechnische Untersuchung beendet sein wird. Laut Angaben der Polizei haben die Leichen bereits seit mehreren Tagen dort gelegen. Kommissar Tage Dahlgren wollte nichts Näheres zu der Todesursache sagen, bittet jedoch um Zeugenaussagen und Informationen über Beobachtungen aus der letzten Woche. Zu der Familie gehörte außerdem ein 17-jähriger Junge, der nicht aufgefunden wurde. Die Polizei kann nicht ausschließen, dass hinter seinem Verschwinden ein Verbrechen steckt.
     
     
    Suchanzeige
     
    Die Polizei sucht Pål Andersson, 17 Jahre alt, 1,78 m groß, mittelblond, von schlankem Körperbau. Es wird angenommen, dass er bei seinem Verschwinden eine camouflage-farbene Hose und eine dunkle Jacke trug, möglicherweise mit hochgezogener Kapuze. Informationen über den Verschwundenen nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.

 
    In meinem vierten Leben war ich nicht im Bunker.
    Lavendel weiß nichts davon, und ich will ihr auch nichts davon erzählen.
    Ich weiß nicht, wo Pålle ist.
    Oder ob er überhaupt jemals wieder auftaucht.
    Aber immer wieder sehe ich die Schülertoilette vor mir, in dem allerletzten Augenblick. Die beiden Gestalten, die sich ganz langsam bewegen, bis sie zu zwei Statuen erstarren.
     
    Man kann ganz nah herangehen und sie studieren, jedes einzelne Detail. Den Krampf der Muskeln, die hochgezogenen Augenbrauen, ihre verzerrten Münder. Der eine schlägt mit dem Revolverkolben fest auf die Schläfe des anderen. Der andere hat seine MP hochgehoben, der Finger umklammert den Abzug. Man kann sich vorbeugen und alle einzelnen Details der MP anschauen. Man kann feststellen, dass sie gesichert ist.
     
    Jetzt suche ich mir immer einen Platz auf der Bank gleich neben der Tür. In jedem Klassenraum sitze ich dort. Jedes Mal, wenn die Tür geöffnet wird, schaue ich nach, wer kommt, bereit zu fliehen.
    Ich wohne allein in der Wohnung. Mama ist zu Howard gezogen.
    Ich will nicht mehr Arzt werden. Ich werde schreiben.
     
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