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Ermorden Sie ihn unauffällig

Ermorden Sie ihn unauffällig

Titel: Ermorden Sie ihn unauffällig
Autoren: Carter Brown
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nachzudenken, wie lange
das noch dauern mochte.
    Der Flur führte im rechten
Winkel zur Eingangshalle. Ich verhielt an der Ecke, schob vorsichtig meinen
Kopf und den Lauf des .38er um sie herum. Niemand war zu sehen, aber ich hörte
Stimmen, die aus einem Zimmer neben der Halle drangen. Seine Tür stand weit
offen. Auf dem Weg zur Haustür mußten wir an ihr vorüber, und dazu bedurfte es
eines Schlachtplans. Ich erklärte den anderen flüsternd die Lage, dann verriet
ich ihnen, wie wir vorgehen wollten.
    Niemand hatte eine bessere
Idee, also schritten wir zur Tat. Mein ebenso einfacher wie genialer Plan sah
vor, daß Benares ins Zimmer marschierte, und während die Burschen darin starr vor
Staunen über den unerwarteten Auftritt Johnnys waren, würde ich auf der Szene
erscheinen und ihnen sämtlichen Wind aus den Segeln nehmen.
    Fran würde inzwischen in der
Etappe draußen bleiben, bis die Luft rein war.
    Auf Zehenspitzen schlichen wir
durch die Halle und drückten uns flach an die Wand neben der offenen Tür. Dann
nickte ich Benares zu. Er grinste zustimmend und schlurfte ins Zimmer. Ich
hörte, wie er schrill und giftig sagte: »He, Kameraden, wo geht’s denn hier ins
Badezimmer?«
    Ich ließ die atemlose Stille im
Zimmer drei Sekunden andauern, dann stürmte ich hinein, den Revolver in der
Hand. Es war ein großes Zimmer, wahrscheinlich das eigentliche Wohnzimmer der
Villa.
    Drei Mann saßen um einen runden
Tisch, der mit Spielkarten, Geld, Aschenbechern und Gläsern verziert war, und
alle starrten noch immer auf Benares, als sei er gerade vom Mars
heruntergefallen. Einen von ihnen erkannte ich wieder: den Partner des
Schlägers, der neben Midnight auf dem Teppich schlief. Der Kerl ihm gegenüber
war genau von derselben schlagkräftigen Sorte, der Mann dazwischen jedoch war
eine völlig andere Ausgabe. Er war ein schlanker, peinlich akkurat gekleideter
Mann Anfang Vierzig, und in seinen Zügen spielte so etwas wie die
entsagungsvolle Melancholie eines Heiligen. Nur besaß wohl ein Heiliger keine
so eiskalt blickenden Augen und wahrscheinlich ebensowenig die Narbe einer
alten Schnittwunde, die dem Mann vor mir zu einem überaus auffälligen Grübchen
verhalf, das den einen Mundwinkel etwas hinabzog.
    »Niemand bewegt sich — nicht
mal ’nen kleinen Finger«, schnarrte ich. »Dann bleibt vielleicht alles am
Leben.«
    Es war, als hätte jemand an
einem Schalter gedreht: Urplötzlich schwenkten alle Blicke von Benares auf mein
Gesicht. Beiden Schlägern genügte ein Blick auf den .38er, um sich geistig zur
Ruhe zu setzen, bis die Zeiten sich vielleicht wieder bessern würden. Der
narbengeschmückte Heilige starrte mich lange an, dann hob er eine Hand — langsam
genug, um mich nicht nervös zu machen — und fuhr sich behutsam durch das dichte,
krause, weißblonde Haar.
    »Sie müssen Boyd sein.« Seine
tiefe, volle Stimme stellte das fest, er fragte nicht. »Und was ist mit
Midnight, Boyd?«
    »Ich habe ihr aufs Ohr
gehauen«, erklärte ich schlicht.
    »Sie...« Das Grübchen war mit
einemmal noch größer, weil er plötzlich erheitert grinste. »Gibt’s denn so
etwas?« Er kicherte. »Ich wette, dies ist das erstemal in der Geschichte, daß
das Opfer einer schwarzen Witwe vor ihr zugebissen hat.«
    »Es ist wirklich eine lustige
Geschichte — aber für spätere Gelegenheiten«, knurrte ich. »Im Augenblick
interessiere ich mich mehr für Fahrzeuge. Wo ist der Wagen, mit dem ich von
Manhattan hierhergereist bin?«
    Der Schläger, der mit mir im
Wagen gesessen hatte, fuhr sich unbehaglich mit der Zungenspitze über die
Lippen, als ich ihn anstarrte.
    »Wenn du vielleicht zu
verschwiegen bist, mein Freund«, sagte ich scharf, »dann werde ich Johnny mal
ein Zündholz unter deiner häßlichen Nase anbrennen lassen, und vielleicht hilft
das deinem Gedächtnis auf die Sprünge.«
    »Das würde mir Spaß machen«,
flüsterte Benares.
    »Er steht vor der Haustür«,
sagte der Muskelprotz heiser.
    »Und die Schlüssel?«
    »In meiner Tasche.«
    »Nimm sie ganz behutsam heraus
und wirf sie herüber«, trug ich ihm auf.
    Er tat wie geheißen, und ich
fing die Schlüssel mit meiner freien Hand auf.
    »Und was jetzt?« fragte Benares
unvermittelt.
    »Vielleicht möchten die
Herrschaften das Zimmer haben, das gerade freigeworden ist?« meinte ich.
    »Yeah.« Er nickte ein paarmal
vor sich hin, mit der plumpen Würde eines angebläuten Rechtsanwalts. »Das
klingt nicht schlecht, mein Freund, aber etwas möchte ich zuvor
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