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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn
Autoren: Oliver Hassencamp
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Erfolgsgesichtern bei Markenkaffee, Markenbutter, Markenmarmelade, neben sich das Aktenköfferchen. nach dem letzten Schluck, dem letzten Bissen, steckten sie sich Zigaretten in die Münder, schnippten Flämmchen und hielten die Spitzen hinein, bis die Luftverschmutzung sichergestellt war. Zum letztenmal wich das gewellte Messingblech vor dem Gast von vierhundertelf in die Wand zurück, der den Schlüssel mit dem Totschläger abgab und sich an der Kasse Kleingeld einwechselte. Dann öffneten sich Hände zum Trinkgeldempfang, Lippen zu Gute-Reise-Wünschen, Türen.
    »Zum Flughafen, bitte.«
    Nach hinten hat sich Lukas Dornberg gesetzt und neben sich will Lukas Dornberg sehen bei der Abfahrt. drüben am Gehsteig steht Andreas Flitzer. Beim Frühstück hat er einen Moment erwogen, in der Klinik anzurufen. Patienten und solche, die es werden sollen, werden früh geweckt. Aber er hat nicht angerufen, hat liebe Grüße auf ein Kartchen gekritzelt, die Adresse auf einen Umschlag, und das Briefchen dem Portier gegeben, zusammen mit einem Schein und dem Auftrag, Blumen zu besorgen, rosa Rosen oder gelbe, und sie in die Klinik zu schicken: ein Abschiedsgruß von der kühlen und einfallslosen Sorte.
    Er will nicht mehr. Diese neun Tage wären wie ein Tanfani-Büfett: zu viel, zu konzentriert. Draußen die Stadt, noch still, eine Stunde, um sich davonzuschleichen. Hast du mehr erwartet? fragt er sich. Gar nichts 1 ? Bist du enttäuscht? Nein? Oder willst du’s nicht zugeben? Der Fahrer fährt durch Straßen, die auch der Türke nicht kannte bei der Ankunft. Fremde Stadt letzten Endes. Was hast du hier gesucht? Im Unterbewußtsein vielleicht eine Frau? Aus Faulheit unter deinen alten Freundinnen? Daniela, Renate, die beiden Tüchtigen, hatten sie dich genommen? Für lebenslänglich? Zu selbständig, verdorben für Gleichberechtigung des Mannes! Hattest du gewollt? Emanzipierte strengen an! Da wäre ja Andrea noch bequemer, mit allen Komplikationen. Kann man überhaupt noch heiraten? Ist dein Unernst unecht? Dein schiefes Hauschen ein Glassturz? »Stört es Sie, wenn ich rauche?«
    »Ja«, will der Fahrgast sagen, lügt die Antwort aber sozialerweise noch rechtzeitig um. Vielleicht ist der Mann die ganze Nacht gefahren?
    »Rauchen Sie ruhig.«
    Die Hand hat schon an der Fensterkurbel gedreht und der Fahrer hat es gesehen.
    »Also stört es Sie doch. Danke. Für mich ist es auch gescheiter, wenn ich nicht rauche.«
    Ende Zwanzig mag der Mann sein, tragt die zeitgenössische Uniform im Gesicht, goldblond und kraus, wie ein schwerer Stuckrahmen.
    »Sie sind nicht Taxifahrer von Beruf?«
    Der Stuckrahmen schaukelt.
    »Ich studiere Physik. schon ziemlich lange. Ich hab’ ein paar Jahre gegammelt. Aber mit Frau und zwei Kindern wird man bürgerlich. Da hilft alles nichts.«
    Draußen die progressive Architektur mit drei Jahren Garantie. Viel hat sich getan. Schneller kann’s nach der Vergangenheit eigentlich nicht gehen. Aber hier leben? Sein Beruf erlaubt es ihm, sich liberal! niederzulassen. Überall, wo er will und so lange er will, als Gast. Das ist ein Geschenk. Auch hier war er nur Gast. Ein paar Zugehplatze sind geblieben. Das reicht eigentlich. Früher kam er, sah und mußte siegen; jetzt kam er, sah und geht wieder. Wie ein Gast. Es ist genußreich, älter zu werden.
    »Brauchen Sie einen Gepäckträger?« fragt der alte Student aufmerksam, als habe er auch in diesem Fach Studienkollegen. Doch es steht keiner da, der bereit wäre, über kürzere Strecken Lasten zu schleppen; ein Rollwägelchen wird gerade frei. Der Gast ladet um, bezahlt und rollt den Koffer und das Kofferchen durch die Schalterhalle zum Schalter. Ein uniformiertes Mannequin mit der Arroganz der schicken Maschinerie bekommt die Flugkarte, die hier Ticket heißt, klammert einen Gepäckabschnitt dran, während der grüne Koffer gewogen und von einem Transportband davongetragen wird; der Fluggast wird durch die Bordkarte zum Passenger befördert und darf sich trollen.
    Leuchttafeln, Rolltreppen, Buchungscomputer; Lichtschranken, die Spezialfahrzeuge draußen auf dem Rollfeld, welche die Düsencontainer mit Aluminiumkasten beladen, mit Gepäck und Sprit — alles weist in die Zukunft. Nur die Schnellimbisse und Klosetts erinnern daran, daß es sich um Saugetiere handelt, die da verfrachtet werden, um Filtersauger vor allem.
    Mit seinem grünen Aer-Lingus -Köfferchen schiebt sich Passenger Dornberg unbehelligt an den grünen Uniformen vorbei ins Niemandsland
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