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Backstage

Backstage

Titel: Backstage
Autoren: Marion Schwarzwälder
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PROLOG
    Das war der Ausweg. Seine Rettung.
    Panitz stand im dunklen Hotelzimmer, sah auf eine Gracht, auf Hausboote und eine beleuchtete Brücke.
    Amsterdam.
    Panitz mochte Lichter. Hochhäuser. Echte, im Rudel, nicht wie in Berlin, wo er nun schon so lange lebte und wo man am neu bebauten Potsdamer Platz Manhattan spielte.
    Amsterdam aber war unvergleichlich, lief außer Konkurrenz. Eine Traumstadt, die er in den vergangenen Jahren immer wieder besucht hatte. Wie Tom auch. Allerdings ohne ihn, in den langen Jahren der Trennung.
    Tom kam zu spät. Wie früher schon, zu den privaten Verabredungen.
    Bei Gigs war er pünktlich. Er war am liebsten noch kurze Zeit allein vor Konzertbeginn, nicht mal ihn, Panitz, mochte er in diesen Minuten um sich haben. Weiß der Henker, wie Tom sich vorbereitete. Aber dann war er da. Explodierte auf der Bühne, legte von der ersten Minute an los.
    Er hatte immer links von Tom gestanden, elektrische Gitarre gespielt. Und sich darum gekümmert, Auftritte ranzuschaffen. Erst, als er nach Westberlin ziehen musste, übernahm Tom die Geschäfte. Aber das war nicht sein Metier. Also suchte die Band einen Manager und fand schließlich einen, der etwas vom Geschäft verstand, diesen Reimann, mit dem Tom immer noch arbeitete.
    Panitz wusste schon immer, dass er kein herausragender Gitarrist war. Er war der zweite Mann, derjenige, der Tom aus der Klemme half. Was immer gerade schief gelaufen war, er war da für den Sänger, den die Mädels belagerten, hielt ihm den Rücken frei.
    Es war so selbstverständlich, wieder mit ihm zusammen zu sein. Leicht.
    «Ich brauch dich, Mann.»
    Das war's.
    Panitz ging zum Telefon, ließ sich mit Toms Suite verbinden. «Es tut mir Leid, es meldet sich niemand. Soll ich es weiter versuchen?», fragte eine Frau an der Vermittlung.
    «Nein, danke.»
    Er war schon mal mit Tom in Amsterdam gewesen, fünfzehn-, sechzehnjährig. Die Stadt, das, was sie anzog, war die wilde Mischung aus Späthippies, Punks, Reggaefreaks und Rockern, eine geile Mischung, eine Insel, auf der man nicht mehr Außenseiter war.
    Sie waren sofort auf Speed, ohne was genommen zu haben, vielleicht ein bisschen Gras, okay, tobten durch die Stadt, Nacht-Tag-Nacht. Schliefen auf einem Hausboot, na klar, eine verwanzte Holzkiste, mit der der Besitzer Kohle machte, überteuerte Schlafplätze vermietete an Ausländer, die auf die Legende von coolen Sleepins hereinfielen. Nach der zweiten Nacht machten sie die übrigen Nächte durch, schliefen tagsüber in Parks. Die Stadt war teuer, sie hatten zu wenig Geld, um all die Konzerte und Clubs zu besuchen, auf die sie scharf waren. Aber Panitz fand Wege, er war es gewohnt, zu tricksen, hintenrum reinzukommen.
    Er war von seiner älteren Schwester aufgezogen worden, lebte im selben Dorf wie Tom. Die monatlichen Schecks aus der Lebensversicherung nach dem Unfalltod der Eltern reichten meist nur bis zum Sechs-, Siebenundzwanzigsten des Monats. Er ging dann einkaufen. Und anschreiben. Kein Problem, solange es noch den Dorfladen gab. Als die Besitzerin schließen musste, fuhr man zum Supermarkt in der zehn Kilometer entfernten Kleinstadt. Panitz lernte zu tricksen — «hab mein Geld vergessen», das ihm dann ein Nachbar, der ihn mit dem Auto mitnahm, auslegte und der dann bis zum Ersten darauf warten musste.
    Was zum Teufel ... Warum jetzt diese Erinnerungen? Panitz goss sich ein Mineralwasser ein. Das geplante Essen konnten sie sich abschminken, sonst würde es zu spät für die anschließende Verabredung mit den Frauen.
    Er legte die alte CD ein, Toms erste Platte, die gerade wieder aufgelegt worden war, weil Toms aktuelle Single in den Charts lief.
    Einige der Songs hatten sie noch zusammen entwickelt, im Proberaum, einer kam mit einem Riff, der andere nahm es auf, irgendwann gab's 'ne Melodie dazu, und so entstanden viele der Stücke, nach und nach, wurden auch schon mal nach Gigs verändert, je nachdem, wie sie beim Publikum ankamen.
    Er freute sich schon auf den einen, den Song, der Sehnsucht weckte, nach damals, als alles noch möglich schien, das Leben Neues versprach, immer und immer wieder, als es ihn noch überraschen konnte.
    Und nun wieder ein Anfang. Er wagte kaum, sich diesem Gefühl anzuvertrauen, das Anfang und Aufbruch versprach, schalt sich einen verdammten sentimentalen Narren. Aber es konnte gut gehen, sie war wieder da, die Selbstverständlichkeit im Umgang, auch die Vertrautheit. Wieder das Leben auf der Scheinwerferseite, ohne die
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