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Backstage

Backstage

Titel: Backstage
Autoren: Marion Schwarzwälder
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örtliche Sicherheitsfrau angefordert hatte, als seelische Stütze und Begleitung - Leibwächter brachten die Künstler meist selbst mit -, und zwar ausdrücklich Melissa März, deren Ruf sich unter Stars herumgesprochen hatte: März wisse, wann man Musiker ansprach, fände schnell heraus, bei wem Schweigen das Lampenfieber anheizte oder es herunterfuhr, wie mit ihnen umzugehen war am Tag des Konzertes und danach, wenn sie verschwitzt und noch mit heißen Gesichtern von der Bühne tänzelten, in den Körpern die Begeisterung der Fans, und wie sich Erschöpfung ankündigte, das Loch, die Depression nach dem Auftritt, wenn es ruhig wurde in der Garderobe.
    Und sie kannte die relevanten Läden der Stadt. Promi-Bars für diejenigen, die erkannt, dort geparkt und von der Klatschpresse ausgenommen werden wollten. Oder Läden, die den Stars Anonymität gewährten. Und sie kannte Plätze zum Alleinsein. Aber dorthin wollte selten ein Kunde.
    Keiner ihrer Klienten wusste, dass Melissa selbst Sängerin war, ausgebildet in Ostberlin. Jahrelang tourte sie in wechselnden Formationen durch die DDR. Nach dem Mauerfall und dem Zusammenbruch vieler Ostbands entschloss sich Melissa, ihr Leben zu ändern. Radikal. Sie machte ein Praktikum bei ihrer langjährigen Freundin Paula aus Westberlin, die eine Detektei leitete, anschließend eine Ausbildung als Sicherheitsfrau, bei Ex-Stasis, wie sich später herausstellte. Seit einigen Jahren waren Paula und Melissa Partnerinnen der Detektei.
    Das, was ihr als Sängerin Spott eingetragen hatte, wurde nun Melissas Vorteil: ihre Körpergröße von einem Meter achtzig und ihre Amazonenfigur.
    «Ich wollte nicht mit Gicht, Krampfadern und weißem Haar hinterm Mikro auf Kaffeefahrten enden», bügelte Melissa Fragen von Fremden zu ihrem Berufswechsel ab.
    Und - mittlerweile sang sie wieder, in einer bezahlbaren, kleinen Formation, in kleinen Läden, auf kleinen Sommerfestivals im Brandenburgischen, zu kleinen Gagen, für die sie zu Ostzeiten nicht mal aus dem Bett gekrochen wäre; unregelmäßig, meist an Wochenenden, wenn ihre Starklienten in den großen Städten der Welt gastierten.
    Melissa stellte die CD ab, konstruiertes Zeug, nicht ihre Welt, aber es war für den Job ja auch nicht wichtig, was sie davon hielt.
    Dann klingelte das Handy. Bert Reimann, Brauns Manager, wollte abgeholt werden.
    Gerade hatte sie das Brandenburger Tor umfahren. Und immer noch das Ziehen im Magen - nur hier, von Ost nach West, inmitten von Touristen, die sich fragten, wo die Mauer mal stand.
    Melissa bremste, fuhr auf den Busstreifen, wendete, überfuhr den Mittelstreifen und machte sich auf den Weg zurück zum Gendarmenmarkt, um Reimann im Hotel abzuholen. Sie hielt an der roten Ampel, vor sich nun die Westansicht des Brandenburger Tors.
    Und plötzlich ein Hubschrauber, Sirenengeheul. Polizei auf Motorrädern, die eine Schneise in den Vormittagsverkehr schlugen, die Ampeln wurden außer Kraft gesetzt, Politiker so angekündigt. Der Verkehr stand still.
    Melissa stellte die Heizung höher. Vom Kalender her war das ein Frühlingstag, doch er forderte dicke Jacken. Winterkleidung. Der Winter, der dieses Jahr nicht zu enden schien, vorzugsweise grau-nasse Tage, wie dem November entliehen.
    Eine Autokolonne raste herbei, bog mit hoher Geschwindigkeit vor dem Tor links ab Richtung Reichstagsgebäude. Eine der dunklen Limousinen kam ins Schlingern, zwang die nachfolgenden Autos zum Ausweichen, eines krachte auf ein wartendes Auto, Sicherheitsleute rissen Türen auf, lalülala, Chaos brach aus. Nichts ging mehr. Die Autofahrer reagierten nicht auf das Grün der Ampel. Melissa lenkte auf den Bürgersteig, nach rechts, in die entgegengesetzte Richtung zum Unfallort, fuhr zurück auf die Straße. Niemand achtete auf sie. Melissa drückte aufs Gas. Die Zeit drängte. Jetzt galt es, noch rechtzeitig den Manager abzuholen, der wohl die verdammten Taxikosten sparen wollte.
    Eine Dreiviertelstunde später. Sie näherten sich dem Flughafen, im Norden des alten Westberlins, auf einer Route, die das Brandenburger Tor umging, auf dem Rücksitz B. R., englisch ausgesprochen, der Manager Tom Brauns, der Melissa einige Minuten vor dem Hotel hatte warten lassen.
    Reimann war etwa so groß wie Melissa, ein Mann um die fünfzig, mit spärlicher werdendem Haar, ebenso wie die Augenbrauen beinahe schwarz gefärbt, was seinem Teint nicht schmeichelte, ihn bleich und kränklich aussehen ließ. Der Manager - «Nennen Sie mich B. R., wir werden
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