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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn
Autoren: Oliver Hassencamp
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die, wie gerade der Gebildete erkennt, gar keine sein muß, bekommen Nebensächlichkeiten plötzlich Orakelgehalt: zwei Port and Brandys spielen sich als gutes Omen auf.
    »Wie lange behalten Sie uns noch hier oben?«
    »Nicht mehr lange.« Das Luftmannequin lächelt, tapfer und unbeteiligt, wie schon hundertmal in der letzten halben Stunde. Und wie die hundert andern gibt er sich zufrieden mit der dummen Antwort auf seine dumme Frage. Keiner besteht auf seinem demokratischen Recht, informiert zu werden; keiner will mitbestimmen bei der Bewältigung der Angst. Alle gieren nach Befehlen und hoffen, um so mehr Glück zu haben, je besser sie sie ausfuhren.
    »Cheerio!«
    Andrea stößt mit ihm an. Sie trinken rasch, als fürchteten sie, Glas in der Hand zu behalten, und es sind doch nur Plastikbecher. Mit dem nächsten Lächeln nennt das Luftmannequin den Preis; beim Bezahlen lächelt auch er: Wenn noch kassiert wird, kann es so schlimm nicht werden.
    Die leeren Becher sind weg und Andrea wieder voll an seiner Seite, küßt ihn aufs Ohr mit kecker Zunge.
    »Wir sitzen da wie auf der Hochzeitsreise.«
    Sie ist da, wo sie sein will... so kann man nur denken, wenn man jung ist... tut dir gut, ihre Ruhe den Verstand abschalten können... spielerische Naivität... wie auf der Hochzeitsreise... sie glaubt, und du bist nicht allein... glauben... festhalten... ineinander verkriechen...
    Jetzt kommt die Durchsage, wie der Notlandungsexperte gesagt hat. Heimlich nimmt er die kleine Brücke aus dem Mund und steckt sie in die Tasche.
    »An was denkst du?«
    »Und du?« fragt er zurück.
    »Ich stell’ mir vor, wir sind wie gestern. Dann ist doch alles egal.« Entgegen den Anweisungen lockern sie die Gurte, um sich noch fester in die Arme nehmen zu können, noch mehr wie auf der Hochzeitsreise bürgerlicher Vorstellung, schieben mit Zärtlichkeiten alles andere weg, die Stimmen, die Spannung, die ganze Scheißtechnik, halten einander, versinken, es poltert, kracht, sie werden geschüttelt, aber nicht getrennt. Eine ungeheure Wucht wird abgebremst, schleudert sie gegen die Rücklehnen der Vordersitze, schmerzhaft, doch sie lassen nicht voneinander, werden zurückgeschleudert, ohne sich zu lassen, haben die Welt weggeschoben, fern sind Schreie, Bersten, alles fern, fern, der Ruck und das Nichts danach, bis die Helfer draußen die Sprache wiederfinden, die Kommandosprache nach den Vorschriften für diese Art von Unfall, die dieser Unfall zu sein hat, damit sie ihn bewältigen können. Sie sind uniformiert, die Helfer, nur der Schaum ist schon zwanzigstes Jahrhundert. Hinten auf der Terrasse des Flughafenrestaurants Zuschauer in der Sonne, oder im Feuer, durch Feuer gesehen? Endlosigkeit, keine Explosion. Oder war sie schon? Zugluft plötzlich, Luft, frische Luft zum Atmen, Rückkehr in Zukunft, die er in den Armen hält, die sie in den Armen hält.
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