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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn
Autoren: Oliver Hassencamp
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besuchen.«
    Er bekam einen flinken Blick.
    »Sie wollen meine Mutter sehen?«
    »Wenn sich’s einrichten läßt. Ihre Mutter gehört ja auch irgendwie dazu.«
    »Kann man wohl sagen! Sie wären doch Ihr berühmter Seitensprung.«
    Jetzt verstand er ihr Interesse und den Hinweis auf Gerdas Gedächtnis.
    »Wie reden Sie eigentlich mit mir?«
    Andrea sprühte vor Vergnügen, von den Augen bis ins Gaspedal.
    »Sie werden staunen! Meine Mutter sieht immer noch phantastisch aus. Ehrlich! Von hinten wie ein junges Mädchen. Meine Freunde finden sie heute noch sexy.«
    Sie fuhren auf der Ringstraße. Verwinkelte Altstadthäuser zogen vorbei wie ein Festzug in historischen Kostümen. An einer Ampel mußte Andrea halten, und da kannte er sich auf einmal wieder aus. »Ich glaube, hier hab ich früher mal gewohnt. Direkt über uns im dritten Stock.«
    Südzimmer bei zwei alten Damen, wollte er noch sagen, doch sie plapperte weiter.
    »Sie brauchen gar nicht abzulenken. Sie fanden sie auch sexy. Oder nicht? Muß ja ganz schön gefunkt haben!«
    Ihre Unverblümtheit reizte ihn, abzuschweifen.
    »Wird eigentlich öfter gefilmt bei Ihnen?«
    »Unser Haus eignet sich prima als spätkapitalistische Kulisse.«
    Sie fuhren an einem Stahlrohrgestell mit Wahlplakaten vorbei. Viel Zuversicht lächelte herein; auch die hübsche Abgeordnete war wieder dabei.
    »Und was sagen Ihre Eltern dazu?«
    »Die wissen von nichts. Und Gerda stopf ich das Maul mit Geld. Und wenn sie’s erfahren, ist es mir auch egal.«
    Das klinge nicht sehr liebevoll, bemerkte er ohne Erfolg.
    »Wenn’s um seine Heiligen geht, ist Alfredo ‘ne richtig hysterische Memme!«
    »Übertreiben Sie nicht ein bißchen?«
    »Sie kennen ihn doch! Meine Mutter kennen Sie natürlich viel besser. Sie müssen sie ja sehr geliebt haben. Oder nicht?«
    »Warum so dramatisch, Andrea? Gefühle sind kein Privileg Ihres Jahrgangs. Auch zwischen dreißig und hundert gibt es Freundschaften, Sympathien.«
    »So kann man’s auch nennen!« Sie grinste ihn von der Seite an. »Bin ja echt gespannt, wie Sie sie finden. Viele behaupten, wir seien uns sehr ähnlich.« Sie fuhr noch schneller. »Warum haben Sie sich eigentlich nie gemeldet?«
    »Das hat viele Gründe«, sagte er. »Die erzähle ich Ihnen vielleicht ein andermal. Würden Sie mich bitte hier aussteigen lassen?«
    »Und unser Tee?«
    »Wie gesagt: vielleicht ein andermal.«
    Andrea fuhr weiter.
    »Ich bringe Sie zum Hotel. Ich habe Zeit.«
    »Ich möchte aber nicht ins Hotel. Ich möchte hier aussteigen.«
    Andrea hielt nicht.
    »Was machen Sie denn heute abend?«
    »Alte Freunde besuchen. Wollen Sie jetzt bitte halten!«
    Endlich verstand sie. So, wie sie fuhr, hielt sie auch. Lukas stemmte sich gegen die Rücklehne und erwartete den Aufprall des Hintermanns. Aber Andrea hatte offenbar einen eigenen Verkehrsschutzengel. Oder ihr Wagen war stadtbekannt. Als er sich bedankte und verabschiedete, war ihm, als wolle sie noch etwas sagen. Doch sie sagte nur:
    »Dann viel Spaß mit Ihren alten Freunden!«
    O Tannebaum, o Tannebaum, wie grrrün sind deine Blätterrr! sang der Wellensittich auf seiner Schulter. Lukas spitzte den Mund und blies ihn an. Da flog der blauweiß Gefiederte auf seinen Kopf, krallte sich ins Haar und verkündete mit gurrender Stimme:
    »Fraule kommt gleich!«
    Bazi, so hieß er, sollte recht behalten. Hinter der spanischen Wand, welche die Kochecke vom Zimmer trennte, trat Kathi hervor, Geschirr in beiden Händen.
    »So, Herr Dornberg, jetzt essen Sie erst mal was! Schnitzel mit Ei und Käse und Salat und dazu ein Bier, ich kenn’ doch Ihren Geschmack noch!«
    Die rundliche Güte mit den Barockputtenbäckchen, unverändert und wie immer mit ordentlicher Frisur, tischte ihm auf, das gemütliche Ein-Zimmer-Appartement wurde zum Späten Schoppen , und in der Mitte stand der scheußlichschöne gußeiserne Herold, den sie mitgenommen hatte, zur Erinnerung an ihren Tisch. Vegetarier Bazi verzog sich vor dem Fleischduft in seinen Käfig, wo er an einem Zelluloidvogel Mutterpflichten übte, indem er so tat, als füttere er ihn, zwar mit nichts im Schnabel, aber recht autoritär.
    »So, Herr Dornberg, greifen Sie zu! Ich kann’s noch gar nicht fassen! Daß Sie heute abend hier reinschauen, hätt’ ich mir nicht träumen lassen. Einen recht guten Appetit auch.«
    »Danke, Kathi. So viele Umstände. Und Sie?« fragte er angesichts ihres Tellers mit einem farblosen Süppchen.
    »Ich muß ein bißchen auf die Galle
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