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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
Autoren: Tilman Röhrig
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jeder in der Halle setzte den Becher an und leerte ihn bis auf den Grund.
    Fragend sah Erik auf den Deutschen, sie verständigten sich mit einem Nicken, und gefasst schritt er zum Ehrensitz. Kein Gemurmel, kein Laut mehr in der Halle, angespannt begleiteten ihn alle Blicke.
    Er strich mit der Hand langsam über die Schnitzerei der Zierpfosten. Fast wie ein Heiligtum wurden diese Stützen vom Ältesten einer Sippe gehütet und jeder, dem neu die Pflichten und Rechte zufielen, der fügte irgendwann ein Ornament oder ein magisches Zeichen hinzu. Erik dehnte die Brust und nahm den erhöhten Platz ein.
    Tyrkir winkte die Knechte und Mägde näher, ließ nachschenken und rief: »Hoch lebe unser Herr, Erik, den man den Roten nennt, er soll leben und uns beschützen. Mögen die Götter ihm nie ihre Gunst entziehen!«
    Das Gesinde fiel mit ein. Ja, ein Hoch dem neuen Herrn. Immer wieder wurden die Becher gefüllt und Schluck für Schluck verwandelte der süße Met die Trauer der letzten Stunden in die Freude, nun Erik dienen zu dürfen.
    Den Hünen hielt es nicht lange auf der Ehrenbank. »Was die Götter sich erlauben, können wir auch. Lasst uns feiern!« In der linken Hand schwenkte er den Becher und mit dem freien Arm umfasste er die Hüfte einer der beiden Mägde, presste sie an sich, drehte sich langsam mit ihr im Kreis und küsste sie. Atemlos gab er sie frei und griff nach dem prallen Busen der zweiten Sklavin. »Zeig sie uns, Katla. Zeig uns deine Titten!«
    Ohne Zögern gehorchte sie und löste die Kittelschlaufen. Beim Anblick der weißen, leicht schwingenden Brüste ließen einige der Knechte den Becher sinken.
    Tyrkir bemerkte den gierigen Hunger in ihren Blicken sofort. Gefahr drohte. Wie leicht konnten sie, angeheizt durch den Met, vergessen, dass nur der Herr sich der Frauen bedienen durfte. Mit drei Schritten war er bei der Magd und zog sie beiseite. »Lass gut sein, Katla!«, mahnte er leise. Sein zorniger Blick ernüchterte Erik für einen Moment.
    »Ja, Tyrkir hat Recht«, lenkte er ein. »Zwei Weiber sind zu wenig für alle! Lasst uns saufen, vom Met haben wir genug!« Sein Lachen steckte an, und bald erfüllte ausgelassener Lärm die Wohnhalle, bis nach und nach die Köpfe schwer wurden.
    Spät in der Nacht zog Erik den Freund hinter sich her. »Komm mit!« Schweren Schritts verließen sie die Halle und stapften im fahlen Zwielicht hinüber zum Grabhügel auf der Klippe. Lange Zeit stand der Hüne da, schließlich fragte er mit schwerer Zunge: »Was jetzt? Ich bin der Herr, aber du bist so gescheit. Was jetzt?«
    Tyrkir trat dicht an ihn heran. »Heiraten!«
    »Was?«
    »Ich sagte, du musst heiraten. Nicht nur, weil der Hof eine Herrin braucht. Du bist der Letzte deiner Sippe. Ich mein, Kinder brauchst du, damit es weitergeht.«
    Erik schüttelte den Kopf, sein Blick verlor etwas von der Trunkenheit. »Einfach so? Heiraten? Dazu gehören zwei, hast du das vergessen? Wen soll ich denn …«
    Ausgiebig kratzte Tyrkir die Flohstiche. Trotz des Mets gelang es ihm, seine Gedanken zu ordnen. Lange genug hatte er diesen Plan durchdacht, jedoch bisher nicht gewagt, ihn dem Freund zu unterbreiten. Jetzt aber war die Gelegenheit günstig. »Unten am Hvammsfjord, als wir da nach Land fragten«, begann er vorsichtig, »da hast du die Tochter des alten Thorbjörn angesehen.« Er tat so, als wisse er den Namen der jungen Frau nicht mehr. »Wie hieß sie noch?«
    »Thjodhild«, murmelte Erik nachdenklich. »Thjodhild aus dem Habichtstal.«
    Die Erinnerung schien ihr Bild in ihm zu malen. »Keine schlechte Frau. Und frei war sie noch im Frühjahr. Blond ist sie und gerade gewachsen. Ja, keine schlechte Frau.«
    Mit einem Mal stieß er dem Freund leicht gegen die Brust. »Wir brechen auf, gleich morgen. Warum sollte Bauer Thorbjörn was gegen mich haben? Sieh mich doch an! Ich bin ein Schwiegersohn. Einen besseren kann er sich gar nicht wünschen.«
    »Nur waschen müsstest du dich«, bemerkte Tyrkir, »sonst erkennt niemand deine Schönheit.«
    »Wag es nicht!« Halb im Zorn hob Erik die Faust. »Du sprichst mit deinem Herrn.«
    Als er den unerschrockenen Blick sah, umarmte er leidenschaftlich seinen Sklaven. »Uns trennt nichts, auch nicht eine Frau. Niemals. Das schwöre ich!«

 

    THJODHILD
    E ine Abwechslung, endlich, seit zwei Wochen hatte Thjodhild diesen Tag herbeigesehnt. Im Sommer wurde in der Mitte der ersten Woche eines neuen Monats unten am Fjord ein Markt abgehalten. Kein Vergleich mit dem großen Markt
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