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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
Autoren: Tilman Röhrig
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Handwerkern boten hier einige Nachbarn an, was sie entbehren konnten, tauschten da einen Spaten gegen eine Kette für den Kochtiegel, gaben dort zwei Messer für eine Schere.
    Nach Hausrat stand Thjodhild heute nicht der Sinn, sie zog es zu den Buden, an denen verzierte Schulterspangen, Schmuck und andere Kostbarkeiten angeboten wurden, bestaunte die Auslage kleiner geschnitzter Figuren aus Walrosszahn und ging weiter. Beim Kunstschmied blieb sie länger stehen. Dieses Glitzern und Blinken. Wenn ich nicht so vernünftig wäre, würde ich ihm alle Armreifen und Broschen abkaufen, seufzte sie und drehte sich um.
    Sie blickte in ein Gesicht, übersät mit Sommersprossen, die dunklen Augen lächelten ihr einen Moment zu, dann gab der schmächtige Bursche den Weg frei.
    Wer war das? Er muss fremd hier sein. Nein, irgendwann bin ich ihm schon mal begegnet. Dem Kittel und seinen kurz geschorenen Haaren nach muss er ein Sklave sein. Thjodhild reckte das Kinn. Was dieser Kerl sich herausnimmt! Wenig später, am Karren des Topfhändlers, stand er unvermittelt wieder neben ihr.
    »Du versperrst mir die Sicht!«, fuhr sie ihn an.
    »Nicht zornig werden, schöne Frau!«
    Die warme Stimme ließ sie stutzen. »Was willst du von mir? Wie ist dein Name?«
    »Tyrkir, der von Gott Tyr Erwählte.« Er lächelte entwaffnend. »Nein, nein, ich bin kein Götterbote. Ich will nichts und doch will ich etwas. Besser gesagt, mein Herr möchte dir etwas zeigen.«
    Ein Leibeigener, der auf sonderbare Art nach Kunden Ausschau hielt, mehr nicht. Halb belustigt nickte Thjodhild. »Also gut, wo ist sein Stand. Führe mich hin!«
    Die kräftige Stimme war das Erste, was sie vernahm. »Den Bären hab ich selbst in Norwegen erlegt. Und glaubt mir, es war ein Kampf auf Leben und Tod!« Dann sah Thjodhild die leuchtend rote Mähne über den Köpfen dreier Frauen, die den Jäger umlagerten und feilschten. Jedes ihrer Gebote schlug er mit den gleichen Worten aus: »Zu wenig! Bei Thor, dieses Fell verkaufe ich nicht so billig.«
    Schließlich gaben die Kundinnen enttäuscht auf und gingen zum nächsten Stand.
    Langsam näherte sich Tyrkir mit der schlank gewachsenen Frau. Kaum entdeckte Erik die beiden, wischte er sich übers Gesicht und fuhr mit den Händen durch seine Haare. »Ein schöner Tag heute.« Mehr fiel ihm nicht ein.
    Sie nickte flüchtig, und als sie sich über die weiche braun-schwarze Bärendecke beugte, gab er dem Freund heimlich Handzeichen, erwartete Hilfe von ihm. Jedoch Tyrkir lächelte nur.
    »Wie viel willst du für dein Fell haben?«
    »Mein Fell? Für alles, was du bist, geb ich’s dir.« Röte schoss Erik ins Gesicht, dunkler noch als sein Bart und die wilde Mähne.
    Sie sah ihn überrascht an. Seine bernsteingelben Augen hielten ihrem Blick stand. »Das ist mein Preis, schöne Thjodhild. Und ich handle nicht, damit du’s weißt.«
    »Du kennst meinen Namen?« Ehe er antworten konnte, erinnerte sie sich an ihn, an die Augen. »Warst du nicht im Frühjahr bei uns auf dem Gut?« Natürlich, mit seinem Vater hatte er überall an der Küste des Hvammsfjords, im Lachstal und auch im Habichtstal nach Land gefragt. »Du bist Erik der Rote, der aus Norwegen herübergekommen ist.«
    »Genau der bin ich. Wir haben oben am Hornstrand gesiedelt. Einen großen Hof besitzen wir jetzt da im Norden. Gutes Gras. Sogar Ackerland genug. Ja, wir haben’s gut getroffen.«
    Kurz blickte sie zu Tyrkir, dann wieder auf den breitschultrigen Burschen und ärgerte sich, weil ihr Herz heftiger schlug. Du bist nie Bärenjäger gewesen. Aber mich hast du von deinem Knecht anlocken lassen. Glaub nur nicht, dass ich dir in die Falle gehe!
    Indes, das Spiel reizte sie. Mal sehen, wie geschickt er es anstellt. »Ein ziemlich weiter Weg von da oben bis zum Hvammsfjord.« Sie hob spöttisch die Brauen. »Kein kluger Bauer unternimmt während der Erntezeit solch eine Reise, nur um unseren kleinen Markt zu besuchen.«
    »Ich schon«, schnappte er, »auch wenn du mich beleidigst.«
    Tyrkir hielt den Atem an. Bleibe höflich, mein Freund!, flehte er stumm, verdirb jetzt nicht alles, ehe es begonnen hat!
    Mühsam kämpfte Erik gegen den aufsteigenden Zorn. »Vielleicht bin ich nicht so gescheit wie du. Mag sein. Aber ich weiß genau, was ich will.«
    »So? Und was?«
    »Mein Fell«, knurrte er. »Das will ich dir verkaufen.«
    Thjodhild trieb ihn weiter und fuhr mit den Fingern durch die Bärendecke auf dem Holzbock: »Du meinst dieses Fell hier?«
    »Ja, verflucht. Und
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