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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück
Autoren: Tilman Röhrig
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an den Stiefvater. »Ich nehme das Fell.« Nein, das Silber sollte er im Beutel lassen, über den Preis wären sie sich einig. »Bitte, lade ihn und den Sklaven ein, als Gäste zu uns auf den Hof. Da habt ihr Männer Zeit, euch zu besprechen.« Thjodhild drehte sich um und ging davon.
    Thorbjörn wiegte beinah entschuldigend den Kopf. »Meine Tochter ist etwas heftig.«
    »Schon recht«, antwortete Erik und schnaufte.
    Früher als gewöhnlich verließ der Großbauer mit seiner Tochter den Handelsplatz am Strand. Seine Gäste ritten ein Stück hinter ihnen. Die Nachmittagssonne ließ die Weiden rechts und links des Baches leuchten und brach sich im Weiß der Birkenstämme. Eine Zeit lang beobachtete Thorbjörn die junge Frau, sie saß aufrecht im Sattel und sah zu den schwarzen Bergrücken im Osten. Schließlich unterbrach er das Schweigen. »So schnell? Bist du sicher, Mädchen, dass du keinen Fehler begehst?«
    Sie kehrte aus ihren Gedanken zurück. »Er ist anders als die Männer, die ich bisher kennen gelernt habe.«
    »Und es ist nicht, weil du den jungen Ejolf bestrafen möchtest? Ach, Kind, keiner weiß etwas über diesen Erik.«
    Offen blickte sie den besorgten Vater an. »Aber ich fühle etwas Neues, hier drinnen. Nein, nein, vertrau mir, nicht mein Herz allein soll bestimmen. Wir haben ja Zeit genug, ehe wir uns entscheiden.«
    Drei Pferdelängen hinter ihnen zerknautschte Erik unentwegt das Halfter in der Faust. Tyrkir wartete geduldig.
    »Dein Plan war es nicht allein«, brummte der Hüne vor sich hin. »So gescheit bist du nicht. Muss eine Fügung sein. Was meinst du, welcher Gott hat die Hand im Spiel?«
    »Tyr war es nicht, da gebe ich dir Recht, in diese Dinge mischt er sich nicht ein. Aber vielleicht hat er Gott Freyr einen Wink gegeben, der versteht was von Fruchtbarkeit, weil wir’s doch eilig haben.«
    »Kann schon sein.« Erik strich dem Pferd über die Mähne und tätschelte den Hals. Nach einer Weile lächelte er vor sich hin.
    Thorbjörn vom Habichtshof verstand zwar die Ungeduld des Rothaarigen, nicht allzu lange durften seine Knechte während der Erntezeit oben im Norden allein bleiben, jedoch eine Heirat war eine Heirat und die Bedingungen mussten vorher in Ruhe verhandelt werden. Es hatte den gutmütigen Großbauern schon viel Überwindung gekostet, auf Bitten Thjodhilds seiner Frau zu erklären, dass die geliebte Tochter sich nicht für einen der benachbarten Jungbauern entschieden hatte, sondern allen Ernstes mit dem Fremden weggehen wollte. Seit dem Frühstück saßen die Männer allein in der großräumigen, mit Wandteppichen geschmückten Wohnhalle.
    Die Ahnenreihe Eriks wies keinen Makel auf, auch als er freimütig von der Verurteilung in Norwegen und der Flucht berichtete, zuckte Thorbjörn nur bedauernd die Achsel. Gekaufte Zeugen! Wie schnell konnte jedem von ihnen das gleiche Unglück widerfahren. »Wir sind alle den Launen des Schicksals unterworfen.« Nein, die Gerichtssache war ausgestanden und zählte nicht mehr.
    »Was bietest du unserer Tochter?«
    »Nun ja, viel kommt da zusammen.« Diese Frage hatte Erik befürchtet und bedauerte jetzt, dass der Freund nicht bei dem Gespräch anwesend war. Wie gern hätte er sich auf dessen Zeichen und Blicke verlassen. »Also gut. Zehn Kühe stehen im Stall. Mein Stier hat heißes Blut, das versichere ich dir. Dann Pferde für jeden Knecht. Ja, und gut vierzig Schafe. Das Land …« Erik dehnte sich und berichtete von genügend fruchtbaren Wiesen, sogar Lauch, Zwiebeln und Erbsen hätte er reichlich auf dem Acker. Je länger er sprach, umso prächtiger malte er seinen Besitz aus und war im Stillen überzeugt, ihn durch viel Arbeit irgendwann auch zu dieser Größe entfalten zu können.
    »Wusste ich gar nicht«, der Großbauer kratzte sich nachdenklich im Kinnbart, »wusste nicht, dass es sich oben am Hornstrand so gut wirtschaften lässt. Nur schade, wir können unsere Höfe nicht zusammenlegen. Das würde meiner Thorbjörg gefallen. Nicht allein wegen der Ländereien, davon haben wir selbst genug, sondern weil sie das Mädchen dann häufiger sehen könnte.«
    »Wir kommen euch besuchen«, versicherte Erik hastig.
    »Und du besitzt ein Schiff?«
    Erleichtert, nun endlich von etwas zu berichten, das der Wahrheit entsprach, schwärmte er von seinem hochseetüchtigen Knorr, nannte ihn stolz: Reittier des Meeres. Vierzig Knechte fänden darauf bequem Platz. Er sprach vom roten Segel, vom Drachenkopf am Bug und dem geräumigen Frachtraum.
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